Weisses Gold
lange, bis sie dieselbe Person erkannt hatte.« Sie erkannte Pellow sofort, und »von da an gehörte ich ihr«. Doch seine neue Position sollte ihn in noch viel größere Gefahr bringen: Er wurde zum Hauptschließer der innersten Türen des Palasts der Königin ernannt, und diese Türen führten in einen der vielen Harems des Sultans. Diese inneren Räume wurden von einer Phalanx schwarzer Gardisten und Eunuchen behütet, und nur einige wenige Personen hatten Zugang dazu. In der Abgeschiedenheit des Harems, der im Herzen des Palastes lag, befanden sich die Privatgemächer der Königin. Dort war sie »mit 38 Konkubinen des Königs und mehreren Eunuchen eingeschlossen«.
Der Harem war ein prächtiges Herrenhaus, dessen Höfe mit glänzenden Marmorsäulen geschmückt waren. Francis Brooks, ein am Bau beteiligter Sklave, beschrieb ein mit Skulpturen verziertes Marmorbecken, welches das Herzstück des Hofes bildete. Im Becken sprudelte »ein sonderbares Wasser«, das »in der Mitte empor brodelt und aus einer etwa zwei Meilen entfernten Quelle kommt«.
Die Zahl der Frauen in den verschiedenen Harems von Mulai Ismail erstaunte europäische Besucher immer wieder von neuem. Pellow behauptet, während seiner Zeit in Meknes habe der Sultan mehr als 4000 Konkubinen gehabt, die allesamt »in eigenen Häusern eingeschlossen waren und streng bewacht« wurden. Es ist unmöglich, diese Zahl zu überprüfen, aber es ist bekannt, dass Mulai Ismail eine erstaunliche Zeugungskraft hatte. Zur Geburt jedes einzelnen Kindes wurde den Juden in Marokko eine Sondersteuer auferlegt, damit angemessene Geschenke für den Sprössling des Sultans gekauft werden konnten. Aus dem entsprechenden Steuerregister lässt sich schließen, dass der Sultan in seiner langen Herrschaft mindestens 1200 Kinder zeugte.
Pellow warf nie einen Blick in den Harem, denn das hätte ihn das Leben gekostet. Aber eine niederländische Sklavin namens Maria Ter Meetelen hinterließ eine faszinierende Schilderung des Lebens in den Gemächern, die Pellow nun zu bewachen hatte. »Ich fand mich vor dem Sultan wieder«, schrieb sie, »in seinem Raum, wo er mit mindestens 50 Frauen lag.« Diese hatten sich »die Gesichter bemalt und waren wie Göttinnengekleidet, von außergewöhnlicher Schönheit, und jede Einzelne spielte ein Instrument«. Maria lauschte betört »ihrem Spiel und ihrem Gesang, denn die Melodie war lieblicher als alles, was [sie] je gehört hatte«.
Die Bewohnerinnen des Harems boten ein spektakuläres Bild. Die Hauptfrauen des Sultans trugen goldene Umhänge und Perlen, die »schwer von ihrem Nacken hingen«. Auf dem Kopf trugen sie goldene Kronen, die ebenfalls mit Perlen verziert waren, und an ihren Handgelenken glänzten goldene und silberne Armreifen. Sogar ihr Haar war mit Goldfäden durchzogen, die im Sonnenlicht funkelten, während ihre Halsketten derart mit Juwelen beladen waren, dass sich Thomas Pellow fragte, »wie sie bei all dem Gold, den Perlen und den Edelsteinen den Kopf gerade halten konnten«.
Die Konkubinen des Sultans verbrachten den Großteil ihres Lebens von der Außenwelt abgeschottet und verließen nur selten diesen verbotenen Bereich des Palastes. Viele litten im Harem unter derart großer Langeweile, dass sie ihre Eunuchen bestachen, damit ihnen diese bei den christlichen Sklaven Wein beschafften. Andere stahlen sich hinaus, um anderswo im Palast Freunde zu besuchen. Diese heimlichen Ausflüge waren sehr gefährlich für die Frauen. Während Pater Busnot in Meknes war, ließ Mulai Ismail »vierzehn von ihnen alle Zähne herausreißen, weil sie einander heimlich Besuche abgestattet hatten«.
In den Harems des Sultans gab es auch zahlreiche europäische Mädchen, die von den Korsaren von Salé auf See erbeutet worden waren. Francis Brooks wurde Zeuge der Ankunft von vier englischen Frauen, die auf dem Weg nach Barbados verschleppt worden waren. Der Aufseher der Eunuchen teilte dem Sultan mit, dass »unter den Frauen eine christliche Jungfrau war«. Mulai Ismail war entzückt und versuchte das Mädchen mit dem Versprechen großer Belohnungen dazu zu bewegen, ihren Glauben aufzugeben, »sich in eine Maurin zu verwandeln und sich zu ihm zu legen«. Das Mädchen weigerte sich, zu konvertieren, und zog damit den unbändigen Zorn des Sultans auf sich. »[Er] ließ ihr die Kleider vom Leib reißen, und seine Eunuchen peitschten sie mit kleinen Schnüren aus, bis sie fast tot dalag.« Dann wies er seine schwarzen Frauen an, sie
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