Weisses Gold
wollte, dass der Kopf eines Menschen abgeschnitten wurde, [zeigte er] ihnen das, indem er die Schultern so hoch wie möglich zog, um sie dann mit einer plötzlichen Bewegung fallen zu lassen.« Sollte ein Sklave erdrosselt werden, so signalisierte der Sultan das mit einer raschen Drehung des Handgelenks, wobei er das Opfer mit dem Blick fixierte.«
Pellow erhielt nun eine bessere Unterkunft. Er schlief in einer winzigen Zelle, aber diese hatte ein Ziegeldach und wurde von den gewaltigen Palastmauern vor der schlimmsten Sommerhitze geschützt. Zudem durfte er an dem täglichen Festmahl teilnehmen, das für den inneren Kreis der Höflinge zubereitet wurde.
In Mulai Ismails Palast war einfach alles großartig, und die Mahlzeiten waren keine Ausnahme. Pellow wollte seinen Augen nicht trauen, als er zum ersten Mal bei Hof aß. Da wurde eine gigantische Platte in den Hof gerollt, auf der sich genug Kuskus für 900 Personen türmte. Die Versammlung wurde in Gruppen von jeweils 70 bis 80 Männern aufgeteilt, denen ihre Mahlzeiten »von dem Karren in großen Schüsseln serviert wurden, die in [ihrer] Mitte aufgestellt wurden«. Pellow hatte nie zuvor Kuskus gegessen und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es köstlichwar. Es war mit zerlassener Butter verrührt und duftete nach Safran und Gewürzen. Pellow fand, dass es »sehr gut und nahrhaft war … und eine schmackhafte Mahlzeit«.
Viele von Pellows Gefährten waren viele Jahre Sklaven gewesen, bevor sie zum Islam konvertiert waren und sich eine Position bei Hof gesichert hatten. Daran gewöhnt, sich nur mit ein wenig Brot und Öl zu ernähren, konnten sie nicht an sich halten, als man ihnen erstmals Speisen aus den Palastküchen vorsetzte. Die Männer machten sich gierig über die Platten her und stopften sich große Fleischbrocken in den Mund. Die Wachen waren entsetzt, insbesondere, als einigen Männern die Nahrung im Hals stecken blieb. Von da an standen stets »mehrere Männer mit Knüppeln in der Hand« bereit, für den Fall, dass jemand »durch Zufall ein für seinen Rachen zu großes Stück schluckte und dieses stecken blieb – was wegen ihrer Gier oft geschah«. Begann ein solcher Vielfraß zu würgen, so versetzte »einer dieser Aufseher dem Mann mit dem Knüppel einen sehr harten Schlag in den Nacken, wodurch [der Brocken] normalerweise entweder aufwärts oder abwärts rutschte«.
Die bessere Nahrung und Unterbringung hatten zur Folge, dass sich Pellows Gesundheitszustand rasch besserte. Bei seiner Ankunft in Marokko war er sehr geschwächt gewesen. Schon das Leben auf dem Schiff seines Onkels hatte ihn Kraft gekostet, und die Entbehrungen an Bord von Hakems Korsarenschiff hatten ihm weiter zugesetzt. Anschließend hatte ihn Mulai es-Sfa gequält. Doch nun, nach wenigen Monaten im Dienst des Sultans, war er »in ziemlich guter Verfassung«. Die größten Gefahren, denen er sich ausgesetzt sah, waren nicht mehr Krankheiten und Hunger, sondern die Launen des Sultans und seiner Frauen: »Ich musste an einem gefährlichen Abgrund entlang gehen, wo ich beim geringsten Fehltritt gewiss in die Tiefe stürzen und mir das Genick brechen würde.« Noch prekärer wurde seine Lage, als ihm eine von Mulai Ismails Frauen amouröse Avancen machte, die er jedoch nicht zu erwidern gedachte. »Ich hielt es für angebracht, jeden meiner Schritte sehr genau zu bedenken.«
Mulai Ismails Verhalten war unvorhersehbar, und er war bekannt für spontane Inspektionen seines Haushalts. Bei einer Gelegenheit bemerkte Pellow, dass der Sultan »bei bester Laune« war und offenbar unterhalten sein wollte. Mit einem böswilligen Lächeln befahl er, ihm 800 seiner Dienersklavenvorzuführen, unter ihnen auch Pellow. Als sie sich auf dem Paradeplatz versammelt hatten, befahl er, eine entsprechende Zahl von Frauen aus dem Palast herbeizuholen. Dann hielt er eine kurze Ansprache, in der er die Männer darüber aufklärte, er habe »bei mehreren Gelegenheit ihre Geschicklichkeit und Bereitschaft zum Gehorsam beobachtet«. Um sie für ihre Loyalität zu belohnen, habe er beschlossen, jedem von ihnen eine Frau zu geben. Die Männer glaubten, es handle sich um einen Scherz, aber Mulai Ismail meinte es vollkommen ernst. Er mischte sich voller Elan unter die Sklaven und griff Männer und Frauen heraus, um sie zusammenzuführen. Anderen bedeutete er »durch Kopfnicken und Blicke, mit wem sie ein Paar bilden sollten«.
Das folgende Spektakel schockierte Pellow, vor allem, als er begriff, dass
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