Weisses Gold
seiner Majestät zu sorgen«. Admiral Cornwall hatte diese Forderung dem Sultan vorgelegt, der geantwortet hatte, sein einziger Wunsch sei es, »einen dauerhaften und tiefen Frieden zwischen den beiden Kronen« zu schließen. Doch Mulai Ismail hatte sich geweigert, auch nur einen einzigen Sklaven in die Freiheit zu entlassen. Cornwalls Reaktion hatte in dem Versuch bestanden, eine Blockade über die wichtigsten marokkanischen Häfen zu verhängen. Obwohl sie wirkungslos geblieben war, hatte diese Blockade immer noch Bestand, als Addison am 31. Mai 1717 an einer Krisensitzung des Kabinetts teilnahm.
Addison hatte sich gut auf die Sitzung vorbereitet. Er hatte ein Dokument mit dem Titel »Stand der Dinge in der Berberei« mitgebracht, das zahlreiche Anregungen zur geeigneten Vorgehensweise enthielt. Der Sectretary of State hielt die Blockade der marokkanischen Häfen nicht fürdie geeignete Lösung. Zwar hatte Admiral Cornwall mehrere Korsarenschiffe aufgebracht, aber er hatte keinen einzigen Sklaven befreien können. Tatsächlich hatte die Blockade dem Sultan derart wenig Grund zur Sorge gegeben, dass es nach Addisons Einschätzung zu bezweifeln war, »ob Mulai Ismail den Verlust seiner Schiffe überhaupt bemerkt hat«.
Der Minister hielt es für unwahrscheinlich, dass der Sultan über die Freilassung von Sklaven verhandeln würde, sofern man nicht einen Botschafter nach Meknes schickte. Das hatte Mulai Ismail selbst in einem Schreiben an Admiral Cornwall bestätigt. In dem Brief hatte der Sultan erklärt, er sei es leid, Verhandlungen aus der Ferne zu führen. »Auf diese Art könnt Ihr bei mir nichts erreichen. Wenn Ihr willens seid, mit mir zu sprechen, und mich nach etwas fragen wollt, so kommt zu meinem Herrlichen Palast Gottes.« Mit hochfahrender Geringschätzung hatte er hinzugefügt: »Ich, der Diener Gottes, kann mit Euch nicht per Post und Brief sprechen.«
Addison erklärte seinen Kabinettskollegen, man müsse unverzüglich einen akkreditierten Botschafter nach Marokko schicken. »Die englischen Gefangenen werden nicht in die Freiheit entlassen, wenn nicht ein Minister mit einem schönen Geschenk für den Fürsten und Bestechungsgeldern für dessen Günstlinge nach Meknes reist.« Addison wusste sehr wohl, dass es riskant war, einen hochrangigen Gesandten nach Meknes zu schicken. Mulai Ismail pflegte ausländische Besucher geringschätzig zu behandeln, und Addison kannte die empörenden Erfahrungen, denen frühere Botschafter in Meknes ausgesetzt worden waren. Einen französischen Emissär hatte der Sultan »in einer von einer Hinrichtung mit Blut besudelten Robe« empfangen, »…und er war bis zu den Ellbogen voll vom Blut einiger Mauren, die er mit seinen eigenen königlichen Händen geschlachtet hatte«.
Es war Addison klar, dass die Aussicht auf eine derart erniedrigende Behandlung das Kabinett kaum dazu bewegen würde, einen Botschafter zu entsenden. Er gestand ein, dass »die Gefahr einer Verhaftung, die hohen Kosten und die geringe Aussicht auf Einhaltung eines Vertrags durch die Mauren gegen die Entsendung eines Ministers nach Meknes sprechen«. Trotz dieser Risiken forderte er das Kabinett auf, diesen Weg einzuschlagen. Jemand müsse sich in die Höhle des Löwen wagen, und der Secretary of State war der Meinung, man könne »für die Aussicht, so viele Landsleute freizukaufen, durchaus einen Mann opfern«.
Addisons Vorschläge lösten eine lange Debatte aus. Seine Ministerkollegen wägten die Kosten einer Gesandtschaft gegen die Ausgaben für die Erhaltung von Admiral Cornwalls Flotte ab. Sie dachten über die Vorteile eines Friedensvertrags mit Marokko nach, der einen neuen Markt für die englischen Wollexporte öffnen konnte. Den Ausschlag gab schließlich Addisons Auftritt. Seine Kabinettskollegen gaben seinen Forderungen nach, und der begeisterte Secretary of State konnte in sein Tagebuch eintragen: »Entsendung eines Mannes nach Meknes.«
Für die Mission wurde Coninsby Norbury ausgewählt, ein Kapitän auf einem der Schiffe von Cornwalls Flotte. Leider war Coninsby völlig ungeeignet für eine derart heikle Mission: Er war arrogant und hochfahrend und hatte die ausgeprägte Fähigkeit, alle Welt vor den Kopf zu stoßen. Es ist unklar, weshalb die Wahl auf diesen Mann fiel. Womöglich war Norbury der einzige Freiwillige, da keiner seiner Kollegen mit einer Reise nach Meknes sein Leben aufs Spiel setzen wollte. Wenige Stunden, nachdem man ihn in Tetuan an Land gesetzt hatte, gelang es
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