Weisses Gold
Höflinge des Sultans, Kaid Abdala, machte Norbury unverhohlen für das Scheitern der britischen Mission verantwortlich. »Hätte sich der besagte Kapitän richtig benommen«, schrieb Abdala, so hätte er möglicherweise erreicht, was er sich vorgenommen hatte.« Doch seine anmaßende Begehrlichkeit habe seine Mission zum Scheitern verurteilt. Norbury wurde mit leeren Händen nach Tetuan zurückgeschickt und schloss sich kurz darauf wieder Admiral Cornwalls Flotte an.
Norburys Besuch hatte mit einer Katastrophe geendet. Joseph Addison hatte gehofft, einen dauerhaften Waffenstillstand mit Mulai Ismail schließen und gleichzeitig alle britischen Sklaven befreien zu können. Doch seinem Botschafter war es mit Drohungen und prahlerischem Gehabe lediglich gelungen, den Sultan gegen sich aufzubringen. Das einzig erfreuliche Ergebnis war, dass sich Mulai Ismail bereit erklärte, einen britischen Konsul in Marokko aufzunehmen – was vermutlich daran lag, dass er sich davon einen stetigen Strom britischer Geschenke erhoffte. Mit dem Amt wurde Anthony Hatfeild betraut, ein geschickter Geschäftsmann, dem es dank seiner guten Beziehungen in Marokko gelungen war, einen schwunghaften Handel mit dem Hafen von Tetuan aufrechtzuerhalten. Konsul Hatfeild erwies sich in den folgenden Jahren als geschickter Gesandter und tat das Menschenmögliche, um die Freilassung der britischen Sklaven zu erreichen. Aber so wie Joseph Addison und Admiral Cornwall musste auch er feststellen, dass der Umgang mit dem stolzen und unberechenbaren Sultan ausgesprochen schwierig war.
Während die meisten britischen Gefangenen auf der Baustelle des Palastkomplexes von Meknes schufteten, änderte sich Thomas Pellows Lage zum Besseren. Er war nun 15 Jahre alt und seit fast vier Jahren fernder Heimat. Kurz nach Mulai es-Sfas Tod wurde er in die Obhut eines Höflings des Sultans gegeben. Die Aufgabe von Ba Achmed es-Srhir bestand darin, »die Jungen zu erziehen und darin zu schulen, wie sie in Gegenwart des Königs sprechen und auftreten sollen«. Pellow wurde zum Palastbediensteten erzogen – er würde der Armee von Dienern angehören, die für das Wohl Mulai Ismails sorgte.
600 Jugendliche waren für diese Ausbildung ausgewählt worden, doch nur wenige von ihnen zeigten die erforderliche Eignung und Begeisterung. Schon nach kurzer Zeit wurde Pellow als auffallend begabter Junge ausgesondert. Zwei Wochen nach seinem Eintritt in den Haushalt von Ba Achmed wurde er zum Aufseher ernannt und leitete von nun an acht andere Renegaten. Man schickte sie in den Palast des Sultans und wies sie an, »die Wege im Garten des Herrschers zu reinigen, wo dieser mit seiner Favoritin … spazieren zu gehen pflegte«.
Der neue Posten war nicht ohne Gefahren. Mulai Ismail hatte angeordnet, dass niemand außer den Palasteunuchen seine Frauen zu Gesicht bekommen dürfe, und die Einwohner von Meknes hatten die Anweisung, in ihren Häusern zu blieben, wenn der Sultan und sein Gefolge zu ihrem täglichen Spaziergang aufbrachen. Pater Busnot hatte dieses farbenfrohe Spektakel einmal aus der Ferne verfolgt und mit Verblüffung beobachtet, welch große Mühen der Sultan auf sich nahm, damit niemand einen Blick auf seine Frauen erhaschen konnte. Wann immer sie die Palastanlage verließen, »laufen die Eunuchen voraus und feuern ihre Waffen mehrfach ab, damit sich alle Personen unter Androhung des Todes zurückziehen«. Wurde einmal ein Passant von dem nahenden Zug überrascht und konnte sich nicht mehr rechtzeitig zurückziehen, so vermied er die Bestrafung, »indem er sich mit dem Gesicht auf den Boden legt, denn sollte er den Kopf heben und diese Frauen ansehen, so wäre dies zweifellos sein Tod«.
Bei der Arbeit im Garten behielt Pellow stets das Eingangstor im Auge. Dennoch beging er schon nach kurzer Zeit einen Fehler, der ihn das Leben hätte kosten können. Eines Tages kehrte er gerade die Kieswege, als unerwartet Halima el-Asisa auftauchte, eine der vier Hauptfrauen des Sultans. »An einem Tag betrat die Königin den Garten, bevor es mir möglich war, mich in einem zu diesem Zweck errichteten kleinen Haus zu verbergen, … und sah mich.« Etwas an Pellows beherztem Auftreten weckte ihre Neugierde. Doch anstatt ihn dem Sultan zu melden – und zuverlangen, dass er bestraft würde –, bat sie darum, er solle ihrem Haushalt als Diener zugeteilt werden.
Mulai Ismail wollte seiner Lieblingsfrau gefallen und willigte ein. »[Er] befahl uns einen nach dem anderen zu sich, so
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