Weisses Gold
ihm, mehrere hochrangige marokkanische Würdenträger zu beleidigen, die von Kaid Achmed ben Ali ben Abdala angeführt wurden, dem Oberkommandierenden des Sultans.
Kaid Achmed war gewohnt, dass man ihm Ehrerbietung entgegenbrachte, und er erwartete insbesondere von europäischen Gesandten Respekt. Aber Captain Norbury hatte nicht die Absicht, vor dem Kaid das Knie zu beugen. Stattdessen zeigte er sich seinem Gastgeber gegenüber derart geringschätzig, dass der Kaid eine Beschwerde an die Minister des britischen Königs schickte. Der arabische Text wurde in London umgehend übersetzt und machte die Runde im Kabinett. »Bei Kapitän Norburys Ankunft«, schrieb der Kaid, »begab ich mich in Begleitung von tausend Männern zum Hafen, um ihn in Empfang zu nehmen. Ich befahl, ein Zelt für den Kapitän und ein weiteres für mich aufzustellen, um ihn in aller Freundschaft zu empfangen.« Kaid Achmed liebte den Prunk offizieller Besuche, doch er musste rasch feststellen, dass sich diese Gesandtschaft sehr von den meisten anderen unterschied. »Ich war überrascht, [Norbury] verärgert über die Form des Empfangs zu sehen, da er der Meinung war, der Zeremonie mangle es an Unterwürfigkeit.« Norbury rümpfte stolz die Nase und wandte seinem Gastgeber »den Rücken zu, um in sein Zelt zurückzukehren«.
Dies war ein schwerer Affront, und der Kaid war zutiefst beleidigt. Er erklärte, er habe alles in seiner Macht Stehende getan, um Kapitän Norbury mit angemessenem Glanz in Empfang zu nehmen, und er habe dem Gefolge des englischen Gesandten die besten Pferde der ganzen Gegend zur Verfügung gestellt. Doch als er darum gebeten habe, einen Blick auf die Geschenke werfen zu dürfen, die Norbury für den Sultan mitgebracht hatte, habe Norbury ihn grob abgewiesen. »Er lehnte es ab«, schrieb der Kaid, »und sagte, niemand dürfe sie sehen, bevor er in Meknes eintreffe.« Kaid Achmed war brüskiert, entschloss sich jedoch, die Kränkung hinzunehmen. Er schrieb das beleidigende Verhalten des Gesandten einer »schlechten Vorgehensweise und unklugem Rat« zu, wollte jedoch nicht auf die Anmerkung verzichten, Norbury habe »von Anfang an bis zum Tag seiner Abreise nach Meknes für Groll und Streitigkeiten gesorgt, und das nicht nur mit [ihm] in nebensächlichen Dingen, sondern auch mit den dortigen Ministern«.
Kaid Achmed begleitete Captain Norbury in die Hauptstadt und stellte ihn dem Sultan vor. Bei der ersten Begegnung war Mulai Ismail zuvorkommend, denn er freute sich auf seine Geschenke. Aber das brüske Auftreten des britischen Kapitäns grenzte an Rüpelhaftigkeit. »[Er] forderte die Herausgabe der Sklaven und erklärte, ohne sie werde er keinen Frieden schließen und werde all ihre Häfen blockieren und ihren Handel zerstören, und stieß weitere derartige Drohungen aus.«
Norbury wischte die Klagen, er habe gegen das Protokoll am Hof des Sultans verstoßen, vom Tisch. Tatsächlich hätte er durchaus für sich in Anspruch nehmen können, dass die Kritik an seinem Verhalten ausgesprochen heuchlerisch war, denn Mulai Ismail und seine Regierung verstießen notorisch gegen die von ihnen unterzeichneten Friedensverträge. Dem Sultan missfiel Norburys Mangel an Respekt, aber es sollte noch schlimmer kommen: Erbost darüber, dass der Sultan so viele seiner Landsleute als Sklaven gefangen hielt, begann er zu schreien und »drei- oder viermal vor dem König mit dem Fuß aufzustampfen«. Als Mulai Ismail versuchte, ihn zu beruhigen, stieß Kapitän Norbury hervor »›Gott verfluche Euch‹, was die Höflinge verstanden«.
Thomas Pellow war Zeuge dieses außergewöhnlichen Zwischenfalls und berichtete, dass Norburys Verhalten »seine Majestät in übermäßige Leidenschaft versetzte«. Der Sultan war derart wütend, dass er nach den Personen in seiner Reichweite schlug. »Viele derer, die in seiner Nähewaren, trugen von nun an die Zeichen seines Schwerts, seiner Lanze oder seines Stocks«, schreibt Pellow. »Gesicht und Arme des Negers, der seinen Schirm trug, als Kapitän Norbury dort war, waren mit Schnitten übersät, die ihm der König zugefügt hatte.«
Es ist nicht bekannt, ob Mulai Ismail die Absicht hatte, seine britischen Sklaven freizulassen, aber nach Norburys hochmütigem Auftritt war er mit Sicherheit nicht mehr dazu geneigt. Er teilte dem Kapitän mit, »er habe sich sehr schlecht benommen«, und fügte hinzu, »Fremde sollten nichts tun, um die Abscheu des Volkes zu wecken, bei dem sie zu Gast seien«. Einer der
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