Weißglut
der ganze Ärger anfängt. Ich möchte nicht in der Haut der Hoyles stecken, wenn Nielson auf sie losgeht.«
Ehe Sayre etwas darauf zu erwidern wusste, rief Beck vom Ende des Ganges aus: »Der Lift ist da.«
Sie legte die Fingerspitzen auf Alicia Pauliks Arm. »Ich weiß, dass Sie mir misstrauen, und ich kann Ihr Misstrauen verstehen, aber es tut mir wirklich schrecklich leid, was passiert ist.«
Dann machte sie kehrt und ging zu Beck und den Aufzügen. »Den ersten musste ich wieder fahren lassen«, erklärte er ihr. »Die Leute darin begannen sich schon zu beschweren.«
»Entschuldige, dass ich dich aufgehalten habe, ich wollte nur …«
Sie wurde von einem Schrei unterbrochen, der die gedämpfte Krankenhausatmosphäre brutal durchschnitt. Sie drehte sich um und sah Alicia Paulik an demselben Fleck wie zuvor stehen. Aber jetzt lagen um sie herum Karten und Briefe am Boden. Der Inhalt der Karte, die sie in ihren zitternden Händen hielt, hatte sie offenbar so schockiert, dass sie alles andere hatte fallen lassen.
Sayre wandte sich entsetzt an Beck. »Was war in dem Umschlag?«
Der nächste Aufzug traf ein, und er versuchte, sie hineinzuschieben. »Ich will den nicht auch noch verpassen.«
Aber Sayre hatte sich schon aus seinem Griff befreit und eilte im Laufschritt zu Alicia Paulik zurück, die laut schluchzend eine Genesungskarte an ihre Brust drückte.
Kapitel 26
Er wartete in seinem Pick-up vor dem Haupteingang auf sie. Als er sie sah, beugte er sich zum Beifahrersitz, öffnete ihr die Tür, und sie stieg ein. Er erwähnte Alicia Paulik mit keinem Wort und fragte auch nicht, was passiert war, nachdem er mit dem Aufzug hinuntergefahren war. »Das mit dem Abendessen war ernst gemeint«, sagte er. »Schließlich habe ich schon das Mittagessen ausfallen lassen. Willst du jetzt mitkommen oder nicht?«
Es war nicht die charmanteste Einladung, die sie bisher erhalten hatte, aber sie nahm sie an. Natürlich war sie hungrig, doch sie hätte ihren Hunger auch mit einem Besuch in einem Fast-Food-Restaurant stillen können. Ihre Neugier würde sich dagegen nicht so schnell stillen lassen. Die Fragen, die aus dem Vorfall im Krankenhaus entstanden waren, konnten nur von Beck beantwortet werden, und es würde vielleicht einige Zeit dauern, ihn so weit zu bringen.
Sie sprachen kaum ein Wort, während er durch den dichten Verkehr zurück auf die Canal Street und von dort aus weiter ins French Quarter steuerte. Er stellte den Wagen in einer Parkgarage ab, und von dort aus gingen sie zu Fuß über die Royal Street.
Nachdem sie ein paar Minuten unterwegs und dabei an mehreren Restaurants vorbeigekommen waren, aus denen Düfte wehten, die Sayre das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen, fragte sie: »Haben wir ein bestimmtes Ziel?«
»Ich kenne da was.«
Die Sonne stand so tief, dass die Häuser lange Schatten warfen und die bohrenden Strahlen abschirmten, aber trotzdem waberte die tagsüber aufgestaute Hitze über der schmalen Straße. Sie strahlte von den pastellfarben verputzten Wänden der alten Gebäude und von dem unregelmäßigen Kopfsteinpflaster ab.
Beck hatte sein Sakko im Auto gelassen. Die Krawatte hatte er immer noch an, aber sie hing lose unter seinem offenen Hemdkragen. Sayre trug immer noch das schwarze Kleid, das sie zu Dannys Beerdigung getragen hatte, und wünschte sich Schuhe, in denen sie besser laufen konnte.
Sie unterhielten sich kaum miteinander. An einer Straßenecke blieben sie ein paar Minuten stehen, um einem einsamen Saxophonisten zu lauschen, ehe sie weitergingen. Sie wurden von einem herumwandernden Clown mit rosa Kraushaarperücke und getüpfelter Hose angesprochen, weigerten sich aber, sich von ihm Clownsmasken schminken zu lassen. Ein Rudel schwer angeheiterter junger Männer begleitete sie eine Weile. Einer der Männer war mutig genug, Sayre ein schlüpfriges Angebot zu unterbreiten, aber sobald er Beck und dessen Miene sah, lösten sich sein trunkenes Grinsen und sein Mut in Luft auf, und er sputete sich, seine Freunde einzuholen.
Die Läden und Galerien in der Royal Street waren eher vornehm. Sie priesen europäische Antiquitäten, echten Schmuck, Gemälde und Skulpturen für wahre Kenner an. Nur ein einziger Laden verkaufte Souvenirs, und selbst dessen Waren wirkten deutlich gediegener als der billige Plunder aus den T-Shirt-Shops auf der Bourbon Street.
Beck und Sayre spazierten an dem Laden vorbei; dann blieb er abrupt stehen, kehrte um und trat ein. »Bin gleich wieder
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