Weißglut
Herzen von New Orleans. Er teilte den zwanzigsten Stock mit zwei Zahnärzten, einer Investmentbroker-Firma, einem Psychologen und einer ganzen Reihe undefinierbarer Unternehmen, die lediglich ihre Initialen angaben. Sein Büro war das letzte links am Ende des mit Teppichboden ausgelegten Flurs. Der Name war in schnörkellosen schwarzen Blockbuchstaben auf die Tür geklebt.
Das Vorzimmer war klein und möbliert wie ein ganz normaler Warteraum – es gab zwei zueinanderpassende Polstersessel und einen Sofatisch mit Stehlampe dazwischen. An der Empfangstheke saß eine hübsche Frau mittleren Alters.
Als Beck eintrat, unterhielt sie sich gerade mit Sayre.
Es war schwer zu sagen, wer von beiden verdatterter war, den anderen hier zu sehen.
Die Empfangsdame beugte sich an Sayre vorbei und begrüßte ihn mit einem herzlichen: »Guten Tag.«
»Hallo.«
»Ich bin gleich für Sie da. Bitte setzen Sie sich doch.«
Er setzte sich nicht, sondern blieb an seinem Platz stehen, weil er unbedingt hören wollte, was Sayre, die bei seinem Anblick wie zur Salzsäule erstarrt war, mit Nielsons Empfangsdame zu besprechen hatte.
Die Empfangsdame sagte zu ihr: »Offenbar wurde da etwas nicht weitergegeben. Manchmal vereinbart Mr. Nielson Termine und vergisst, sie mir durchzugeben, damit ich sie in seinem Kalender eintragen kann.«
»Er hat nicht vergessen …« Sie stockte und räusperte sich. »Er hat nicht vergessen, den Termin durchzugeben. Ich habe keinen.«
»Ach so, aha, und was führt Sie zu uns? Ich werde ihm gern eine Nachricht zukommen lassen.«
»Mein Name ist Sayre Lynch. Früher hieß ich mit Nachnamen Hoyle.«
Das Lächeln der Empfangsdame wurde sichtbar dünner. »Von Hoyle Enterprises? Diesen Hoyles?«
»Ja.«
»Ich verstehe.«
»Das glaube ich nicht. Ich bin nicht im Auftrag meiner Familie hier.«
Die Empfangsdame faltete die Hände auf der Theke, als erwartete sie eine weitere Erklärung. »Das würde Mr. Nielson bestimmt interessieren.«
»Wenn Sie mit ihm sprechen, dann machen Sie bitte ganz klar, dass ich ihm meine Unterstützung anbieten möchte.«
»Ja, also, Mr. Nielson …« Die Empfangsdame wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen. Sie hob den Zeigefinger, um Sayre anzuzeigen, dass sie nur kurz den Anruf entgegennehmen wollte. »Charles Nielsons Büro. Nein, es tut mir leid. Er ist momentan nicht zu sprechen. Darf ich eine Nachricht notieren?« Sie zog einen Notizblock heran und begann, etwas mitzuschreiben.
Sayre drehte sich zu Beck um. »Bist du mir hierher gefolgt?«
»Halt dich nicht für wichtiger, als du bist. Im Gegensatz zu dir habe ich einen Termin.«
Sobald die Empfangsdame den Anruf beendet hatte, trat er neben Sayre an die Theke. Dann sagte er mit strahlendem Lächeln und einer Stimme wie geschmolzene Butter: »Sie müssen Brenda sein.«
»Genau.«
»Wir haben mehrmals miteinander telefoniert. Ich bin Beck Merchant.«
Sie reagierte ausgesprochen nervös. »Ach, du mein Schreck. Haben Sie meine Nachricht nicht bekommen?«
»Nachricht?«
»Mr. Nielson musste unerwartet verreisen. Ich habe auf Ihre Mailbox gesprochen, dass er den Termin heute Nachmittag leider verschieben muss.«
Beck zog das Handy aus der Innentasche seines Jacketts und warf einen Blick aufs Display. »Das haben Sie«, bestätigte er. »Offenbar habe ich übersehen, meine Mailbox abzuhören.«
»Ich hatte gehofft, dass ich Sie abfangen könnte, bevor Sie nach New Orleans fahren.«
»Ich wünschte, Ihr Chef hätte mir die Ehre eines Gesprächs erwiesen, bevor er so überstürzt die Stadt verließ. Wann kommt er zurück?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Ist er telefonisch erreichbar?«
»Ich kann Ihnen den Namen seines Hotels nennen. Er ist in Cincinnati.«
»Ich nehme an, eine Handynummer können Sie …«
»… keinesfalls herausgeben«, beendete sie den Satz für ihn. »Wenn ich meinen Job behalten möchte.«
»Dafür möchte ich nicht verantwortlich sein.«
»Soll ich einen neuen Termin vereinbaren, wenn Mr. Nielson anruft, Mr. Merchant?«
»Bitte. Falls ich nicht an den Apparat gehe, hinterlassen Sie bitte Datum und Uhrzeit auf meiner Mailbox. Ich werde meinen Terminplan danach ausrichten. Und seien Sie diesmal bitte so freundlich, auch bei mir zu Hause und im Büro anzurufen. Ich möchte vermeiden, dass es noch einmal zu einem Missverständnis kommt.«
»Aber gewiss doch, Mr. Merchant.«
»Danke.«
»Bitte entschuldigen Sie die Umstände, die wir Ihnen gemacht haben. Allen beiden«,
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