Weißglut
…«
»Schrotflinte?«, rief Sayre dazwischen.
Als Beck ihr berichtet hatte, dass Danny durch einen Schuss in den Kopf gestorben war, hatte sie unwillkürlich an eine Pistole gedacht. Sie kannte sich nicht wirklich gut mit Schusswaffen aus, aber sie kannte den Unterschied zwischen einer Schrotflinte und einer Pistole und wusste auch, welchen Schaden man jeweils damit anrichten konnte.
Unabhängig von Kaliber und Lauflänge verursachte eine Kugel, die aus einer aufgesetzten Pistole in den Kopf eines Menschen abgefeuert wurde, auf jeden Fall eine tödliche und ekelhafte Verletzung. Aber das war nichts im Vergleich zu dem Gemetzel, das eine Ladung Schrot in einem menschlichen Schädel ausrichtete.
»Ganz genau, Ma’am«, antwortete der Detective mit heiligem Ernst. »Er hatte keine Überlebenschance.«
Beck meinte gepresst: »Vielleicht sollten Sie allmählich auf den Punkt kommen.«
»Nun, Mr. Merchant, der Punkt ist, das Opfer hatte noch seine Schuhe an.«
Sekundenlang starrten sie ihn fassungslos an. Huff reagierte als Erster. »Ich weiß nicht, was zum Teufel Sie damit sagen wollen, aber …«
»Moment.« Beck erhob die Hand, um Huff zum Schweigen zu bringen, aber sein Blick blieb auf Scott gerichtet. »Ich glaube, ich verstehe, was Deputy Scott daran stört.«
Chris zupfte an seiner Unterlippe und nickte. »Er fragt sich, wie Danny den Abzug gedrückt hat.«
Scotts Kopf hüpfte eifrig auf und ab. »Ganz genau. Ich hatte es schon einmal mit einem Selbstmord mittels Gewehr zu tun, drüben in Carthage. Osttexas? Jedenfalls drückte dort der Mann den Abzug mit seinem großen Zeh.« Er sah betreten zu Sayre hinüber. »Verzeihen Sie, Ms. Hoyle, dass ich so offen …«
»Ich werde schon nicht in Ohnmacht fallen. Und ich heiße Lynch.«
»Oh, Verzeihung. Ich dachte …«
Seine Augen huschten einmal durch den Kreis der gespannt blickenden Gesichter. »Also, ich wollte sagen, dass alles an Mr. Hoyles wahrscheinlichem Suizid mich an diesen anderen Fall erinnert. Mir will nur nicht in den Kopf, wie er es geschafft hat, den Abzug zu betätigen.
Das muss wirklich kompliziert sein, wenn man bedenkt, wie lang der Lauf ist und – ach ja, da ist noch etwas, was mir aufstößt. Die Waffe war eine doppelläufige Flinte, und beide Läufe waren geladen. Wenn Sie sich in den Kopf schießen wollen, werden Sie sich bestimmt nicht die Mühe machen, beide Läufe zu laden, oder? Die zweite Patrone werden Sie kaum noch brauchen.«
Niemand sah sich zu einem Kommentar oder einer Frage bemüßigt. Red Harper räusperte sich nochmals. »Können Sie sich erinnern, wann Sie diese Flinte das letzte Mal gesehen haben, Huff? Ich sehe keinen freien Platz in Ihrem Waffenschrank.«
Er nickte zu dem Eckschrank mit den Glastüren hin. Huff besaß ein ganzes Arsenal an Feuerwaffen, darunter mehrere Pistolen, Jagdgewehre und eine Schrotflinte für die Vogeljagd. Alle standen aufgereiht im Schrank.
»Es war eine alte Flinte. Wir haben sie alle nicht besonders gemocht. Darum haben wir sie sozusagen in Rente geschickt. Sie für Notfälle in die Angelhütte gelegt. Ich weiß nicht, wann sie das letzte Mal abgefeuert wurde.«
»Ich schon.«
Alle sahen Chris an. Seiner charakteristischen Unbekümmertheit nach zu schließen hätten sie über alles Mögliche plaudern können – einen verloren gegangenen Handschuh oder über das Wetter. Nicht jedoch über etwas so Wichtiges wie die Waffe, durch die sein Bruder gestorben war.
»An einem Wochenende – das war vor ungefähr drei Monaten, nicht wahr, Beck?« Beck nickte. »Da haben wir beide draußen übernachtet. Mitten in der Nacht begann Frito verrücktzuspielen. Wir gingen nach draußen, um nachzuschauen, was ihn aufgeschreckt hatte, und sahen einen Luchs. Beck feuerte zweimal mit der Schrotflinte in die Luft, um ihn zu vertreiben. Die Wildkatze sauste mit eingezogenem Schwanz in den Wald.«
Beck nahm den Faden auf. »Am nächsten Morgen habe ich die Flinte gereinigt und geölt und sie wieder in die Halterung über der Tür gehängt.«
»Haben Sie sie auch geladen?«, fragte Sheriff Harper.
»Nein.«
»Also, irgendjemand hat es getan«, stellte Scott fest.
»Haben Sie die Waffe auf Fingerabdrücke untersucht?«
Er beantwortete Sayres Frage mit einem höflichen »Ja, Ma’am. Die meisten stammen von Ihrem Bruder – Danny –, aber es gibt auch einige andere. Einige der noch nicht identifizierten Abdrücke stammen wahrscheinlich von Ihnen«, sagte er zu Beck.
»Damit steht also fest,
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