Weißglut
unbehaglichen Blick in Huffs Richtung ein. »Er will nur sagen …«
»Ich will damit nur sagen, dass die Umstände von Danny Hoyles Tod weitere Ermittlungen notwendig machen.«
»Der Gerichtsmediziner hat eindeutig auf einen Suizid erkannt.«
»Das stimmt, Mr. Merchant, weil es an der Todesursache keine Zweifel gibt.« Er warf Sayre einen kurzen Blick zu. »Ich möchte Ihnen die drastischen Begriffe aus dem Obduktionsbericht des Gerichtsmediziners ersparen.« Dann sagte er zu Beck: »Die Art seines Todes hingegen bleibt meiner Meinung nach bisher offen.«
»Die Art seines Todes«, wiederholte Beck und sah den Detective aus schmalen Augen an. »Die Läufe der Schrotflinte waren immer noch in Dannys Mund, was dafür sprechen würde, dass er den Abzug nicht selbst gedrückt hätte.«
»Richtig.« Scott nickte düster. »Andernfalls wäre ihm die Waffe durch den Rückstoß aus dem Mund geflogen. Es ist so gut wie sicher, dass jemand die Mündung in Dannys Mund gedrückt hat. Es war ein Mord.«
Red Harper wand sich, als hätte er Schmerzen. »Was mich zu der Frage bringt, die ich Ihnen stellen muss. Hat jemand von Ihnen eine Vorstellung, wer Danny hätte umbringen wollen?«
Kapitel 6
Die Nachmittagshitze hatte ganze Arbeit an den Blumenarrangements geleistet, die das frische Grab bedeckten. Die Blüten waren schon verwelkt. Die Blütenblätter hatten sich braun verfärbt und hingen wie völlig kapituliert an den erschlafften Stängeln.
Weil kein Windhauch ihn verwehte, hing der Qualm aus den Schloten der Gießerei wie eine graue Wolkenbank über dem Friedhof. Er lag über den Gräbern wie ein schmutziges Leichentuch.
Sayre empfand ihn als Dannys Totenhemd. Sie war auf den Friedhof gefahren, weil sie gehofft hatte, so etwas wie inneren Frieden zu finden, aber nach der Begegnung mit Deputy Scott hielt sie es für unwahrscheinlich, dass sie sich so schnell mit Dannys Tod abfinden würde.
Danny hatte von den drei Kindern Huff am wenigsten geähnelt. Danny war sanftmütig und bedacht gewesen und hatte ihres Wissens nie etwas aus reiner Bosheit getan oder jemandem länger gegrollt.
Als sie Kinder waren, hatte Danny ihr und Chris gegenüber regelmäßig nachgegeben; selbst wenn ihm Unrecht geschehen war und er anfangs Widerstand geleistet hatte, hatte er letztendlich immer eingelenkt, vor allem Chris gegenüber, dem unbestrittenen Tyrannen des Trios. Obendrein war Chris gerissen und verstand seinen kleinen Bruder zu manipulieren. Danny fiel stets auf die oft grausamen Tricks seines Bruders herein.
Sie selbst war die Temperamentvollste gewesen. Ihre Wutausbrüche gegen Danny nach einem echten oder eingebildeten Angriff auf ihre Person hatte dieser ritterlich über sich ergehen lassen und ihr die hasserfüllten Beschimpfungen, die sie ihm ins Gesicht geschleudert hatte, nie verübelt.
Einmal hatte sie, während ihres schlimmsten Wutanfalls, seinen Lieblingsspielzeuglaster in den Bayou geschleudert. Er hatte sie heulend beschimpft und ihr befohlen, ins Wasser zu springen und ihn wieder herauszuholen. Natürlich hatte sie sich geweigert und Danny stattdessen lustvoll und detailliert geschildert, wie sein glänzender Laster verrosten und vergammeln würde, noch ehe er den Golf von Mexiko erreicht hätte.
Stundenlang hatte Danny damals geweint und war danach in eine tagelang anhaltende Starre verfallen. Doch nicht einmal als Laurel wissen wollte, was ihn so bedrückte, hatte er seine Schwester verpetzt. Er hatte nie erzählt, was sie angestellt hatte. Und falls doch, hätte sie sich im Recht gefühlt. Aber er hatte sich nicht an ihr gerächt, und genau darum hatte sie sich zutiefst dafür geschämt, so gemein gewesen zu sein.
Ihre Mutter hatte ihren Jüngsten abgöttisch geliebt. Sayre hatte immer noch Huffs Gepolter im Ohr, dass Laurel den Buben zu einem verweichlichten Waschlappen erziehen würde, wenn sie nicht aufhörte, ihn so zu verhätscheln. Aber obwohl ihre Mutter Danny so offen den anderen Kindern gegenüber vorzog, hatte er, Ironie des Schicksals, vor allem um Huffs Zuneigung gebuhlt.
In deren Genuss Chris als Erstgeborener automatisch gekommen war. Außerdem war er hinsichtlich Temperament und Neigungen Huffs Ebenbild. Da Chris praktisch eine kleine Ausgabe von Huff selbst war, schmeichelte es dessen Ego, ihn um sich zu haben.
Sayre wurde als eher nutzlose, aber schmückende Prinzessin betrachtet und entsprechend behandelt. Sie war eine verzogene Göre, die immer ihren Willen durchsetzen wollte und sich
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