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Weißglut

Weißglut

Titel: Weißglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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bewirkt.« Dann sagte sie nach einer kurzen Pause: »Vielleicht muss ich akzeptieren, dass Danny nicht so glücklich war, wie ich gedacht habe, und dass es für ihn Gründe gab, sich das Leben zu nehmen, von denen ich nichts ahnte. Irgendwas machte ihm große Sorgen. Was es auch gewesen sein mag, es sieht so aus, als hätte er damit nicht weiterleben können. Nun werde ich nie erfahren, was es war.«
    »Es tut mir leid.« Der jungen Frau war das Herz gebrochen worden, und Sayre konnte sie mit nichts als einer lahmen Floskel trösten. Es kam ihr beschämend hilflos vor. Immerhin versprach sie Jessica, sich zu melden, sobald sie etwas aus dem Büro des Sheriffs hörte.
    Sie hatte das Gespräch gerade beendet, als die Fliegentür des Hauses aufschwang und ein Mann auf die schmale Veranda trat. Er trug nichts als eine fleckige Jeans, sein Oberkörper und seine Füße waren nackt.
    Misstrauisch und aggressiv rief er ihr entgegen: »Kann ich Ihnen helfen?«

Kapitel 11
    Sayre begriff, dass er durch die getönten Scheiben nicht erkennen konnte, wer im Wagen saß. Sie bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie beim Spionieren ertappt worden war, und war einen Moment lang versucht wegzufahren. Aber nachdem sie so weit gegangen war, konnte sie die Sache genauso gut zu Ende bringen. Sie ließ das Fenster herunter. »Hallo, Clark.«
    Sowie er sie erkannte, formten seine Lippen stumm ihren Namen, und dann erstrahlte auf seinem Gesicht jenes Lächeln, mit dem er die Herzen zum Schmelzen gebracht hatte als Quarterback im Footballteam, als Schulsprecher oder nach der Wahl zum beliebtesten und erfolgversprechendsten Schüler.
    Clark Daly lief die Verandastufen herab, und sie stieg aus. Sie trafen sich auf halbem Weg auf dem brüchigen Betonpfad, der zum Haus führte. Sie umarmten sich zwar nicht, aber er ergriff ihre Finger und presste sie zwischen seinen Händen zusammen.
    »Ich glaub es nicht.« Seine Augen wanderten erst über ihr Gesicht, dann an ihrem Körper hinab und wieder hinauf. »Du siehst genauso aus wie früher, nur besser.«
    »Danke.«
    Er sah weder genauso noch besser aus. Sein früher so schlanker, fester Sportlerkörper war inzwischen so dünn, dass man die Rippen zählen konnte. Auf seinem Gesicht lag ein mehrere Tage alter Bartschatten, und das war kein modischer Dreitagesbart – er hatte sich einfach nicht rasiert. Seine dunklen Haare waren dünner, wodurch seine Stirn und seine Brauen kräftiger wirkten, als sie in Erinnerung hatte. Die Augen waren blutunterlaufen. Und wenn sie sich nicht sehr täuschte, roch sein Atem nach Alkohol.
    Er ließ ihre Hand los und trat einen Schritt zurück, als hätte er auf einmal begriffen, wie sehr er sich in ihren Augen verändert hatte. »Eigentlich dürfte ich nicht allzu überrascht sein, dass du hier bist«, sagte er. »Du bist zu Dannys Beerdigung gekommen, richtig?«
    »Ja. Ich bin gestern früh hergeflogen, und jetzt bin ich praktisch auf dem Heimweg.«
    »Tut mir leid, dass ich es nicht zur Beerdigung geschafft habe. Es ist nur, weißt du …« Er schwenkte die Hand in Richtung Haus, wie eine Erklärung dafür, warum er nicht zum Gottesdienst für Danny kommen konnte.
    »Schon gut. Ich verstehe.«
    Damit versiegte das Gespräch. Es fiel ihr schwer, ihm in die Augen zu sehen. Eine gewisse Verlegenheit ist ganz normal, wenn man nach Jahren eine alte Flamme wiedersieht, aber das betretene Schweigen, das sich zwischen ihnen breitmachte, hatte tiefere Gründe.
    Sie impfte ihre Stimme mit künstlicher Fröhlichkeit und fragte: »Und was treibst du inzwischen so?«
    »Ich arbeite in der Gießerei.«
    Ihr blieb der Mund offen stehen. »In Huffs Gießerei?«
    Er lachte kurz. »Eine andere gibt es hier nicht.«
    »Und was machst du da?«
    Er zuckte verlegen mit den Achseln. »Ich belade den Schmelzofen. In der Nachtschicht.«
    Im ersten Moment dachte sie, er hätte einen schlechten Scherz gemacht. Aber als sie in seine eingesunkenen Augen schaute, sah sie darin eine tiefe, unauslöschliche Trostlosigkeit.
    Entsprechend seinem Schwur hatte ihr Vater das Leben dieses Mannes so erfolgreich und so gründlich ruiniert, als hätte er ihn erschossen.
    »Wenigstens verdiene ich Geld damit.« Er setzte ein Lächeln auf. »Willst du auf eine Tasse Kaffee reinkommen?«
    Sie senkte den Kopf, damit er ihr nicht ansah, wie entsetzt sie war. »Nein, ich darf meinen Flieger nicht verpassen. Trotzdem vielen Dank.« Er hatte wohl auch nicht wirklich erwartet, dass sie seine Einladung annehmen

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