Weißglut
keinen Cadillac leisten.«
»Das Altmetall«, fuhr Beck fort, »verflüssigen wir in Schmelzöfen, die ›Kupolöfen‹ heißen. Anschließend wird das geschmolzene Metall entweder in eine so genannte Kokille gefüllt, die mit Hilfe der Zentrifugalkraft gießt, oder es kommt in eine Sandgussform.«
Sie schaute zu, wie das geschmolzene Metall aus einer Gießpfanne in eine der Formen geschüttet wurde. Die technische Ausstattung war beeindruckend, aber gleichzeitig war es erschütternd, unter welcher Gefahr die Männer arbeiteten, wenn sie diese Maschinen bedienten und dabei in nächster Nähe des flüssigen Feuers und verschiedener heißer, schnell beweglicher Teile standen.
»Was hat er an den Händen?«, fragte sie und nickte zu einem Arbeiter hin.
Beck zögerte kurz und antwortete dann: »Isolierband. Damit verstärkt er die von uns gestellten Handschuhe, damit er sich nicht die Hände verbrennt.«
»Warum geben wir nicht einfach dickere Handschuhe aus?«
»Die sind zu teuer«, erwiderte er knapp und führte sie dann an einer Pfütze aus geschmolzenem Metall vorbei, die auf dem Boden vor sich hin brodelte. Sie schaute auf und sah, wie aus einer der Gießpfannen flüssiges Eisen tropfte. Der Mann, der die Pfanne lenkte, stand auf einer Plattform ohne Geländer, wie ihr auffiel.
Beck erklärte ihr weiter das Gießverfahren. »Sobald die Teile in den Sandgussformen ausgehärtet sind, laufen sie über das Schüttelsieb. Dabei wird der ganze Sand abgeschüttelt.«
Er deutete auf einen Ausgang. Während er ihr die Tür aufhielt, fasste er die weiteren Verarbeitungsschritte für sie zusammen, als spräche er zu einer Viertklässlerin auf Klassenausflug. »Wenn der Sand entfernt ist, wird das gegossene Rohr gereinigt und geprüft. Wir untersuchen das Metall auf seine Reinheit und die chemische Zusammensetzung. Wenn ein Produkt Mängel hat, wird es wiederverwertet und landet ein zweites Mal im Ofen. Was als Altmetall angeliefert wurde, verlässt irgendwann auf einem unserer Trucks die Gießerei, und zwar als Rohrleitung, die auf verschiedenste Weise verwendet werden kann. Noch Fragen?«
Sie nahm den Schutzhelm und die Schutzbrille ab und schüttelte ihre Haare aus. »Wie heiß wird es da drin?«
»Im Sommer bis zu über fünfzig Grad Celsius. In den Wintermonaten ist es nicht ganz so schlimm.« Er führte sie zu einem Aufzug und drückte die Aufwärtstaste.
In der Kabine fixierten beide die Anzeigetafel. Sie sagte: »Auf einer der Maschinen …«
»Ja?«
»War ein weißes Kreuz aufgemalt.«
Er starrte weiter auf die Ziffern über der Aufzugtür und brauchte so viel Zeit für eine Antwort, dass sie schon meinte, er würde überhaupt nichts darauf erwidern. Schließlich erklärte er knapp: »Da ist jemand ums Leben gekommen.«
Sie wollte schon nachfragen, aber in diesem Moment gingen die Aufzugtüren auf, und Chris erwartete sie. Er lächelte entwaffnend. »Hallo, Sayre. Ein ganz neuer Look für dich, wie?«, kommentierte er die Sachen, die sie in einem Laden im Stadtzentrum gekauft hatte, ehe sie hierhergefahren war. »Ich kann nicht sagen, dass er mir besonders gut gefällt. Wie war die Tour?«
»Sehr informativ.«
»Freut mich, dass sie dir gefallen hat.«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie mir gefallen hat.«
Becks Handy läutete. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er und trat beiseite, um den Anruf entgegenzunehmen.
Sayre sagte zu Chris: »Ich habe in der Werkhalle nichts gesehen, was die Vorwürfe wegen Verstößen gegen Sicherheits- und Umweltbestimmungen entkräftet hätte. Was war das für ein Geruch?«
»Der kommt von dem Sand, Sayre«, erklärte er ihr mit übertriebener Geduld. »Da sind Chemikalien drin. Wenn sie heiß werden, sondern sie einen Geruch ab, der ziemlich unangenehm sein kann.«
»Vielleicht sogar gesundheitsschädlich?«
»Sag mir, in welcher Branche es keinerlei Risiko gibt.«
»Aber es gibt moderne Entlüftungssysteme, die …«
»Irre teuer sind. Trotzdem sind wir ständig bemüht, die Arbeitsumgebung zu verbessern.«
»Wo wir gerade von Umgebung sprechen, ich meine mich zu erinnern, dass wir wegen Wasserverschmutzung zu einer satten Strafzahlung verurteilt wurden. Weil wir Wasser aus unseren Kühlteichen ablaufen ließen, glaube ich.«
Sein Lächeln blieb unverrückbar stehen, wirkte aber plötzlich gezwungen. »Wir geben uns große Mühe, die Umwelt zu schützen.«
Geduldig und skeptisch erwiderte sie: »Erzähl das dem Umweltamt, Chris.«
Beck beendete sein Gespräch
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