Weißglut
er durch die Tür trat. »Ist in zwei Minuten fertig.«
»Du bist ein Engel.«
»Ich weiß, ich weiß, das sagen sie alle.«
Er setzte sich zu Chris an den Tisch, stützte die Ellbogen auf den Tisch und fuhr sich müde mit den Händen übers Gesicht. »Hört dieser Tag denn nie auf?«
»Ich habe gerade auf der Intensivstation angerufen. Huff schläft wie ein Baby. Sein Herz tickt wie eine Schweizer Uhr. Was gibt es so Dringendes?«
»Warum war dein Handy nicht eingeschaltet?«
»War es doch. Es war auf Vibrieren gestellt. Nur hatte ich es leider nicht an mir. « Chris lächelte genüsslich. »Ein Gentleman legt nicht nur die Stiefel, sondern auch das Handy ab, wenn er sich zu einer Lady ins Bett legt. Hat dir deine Mutter gar nichts beigebracht?«
»Billy Paulik wurde heute Nacht fast der Arm abgerissen.«
Chris’ Grinsen erlosch. Die beiden Männer starrten sich schweigend über den Tisch hinweg an, während die Bedienung Chris’ Tasse auffüllte und Beck einen frischen Becher brachte. »Auch was zu essen, Beck?«
»Nein danke.«
Sie spürte an der gedämpften Atmosphäre am Tisch, dass dies nicht der Augenblick für fröhliches Geplänkel war, und ließ die beiden allein.
»Bei der Arbeit, nehme ich an«, sagte Chris.
Beck nickte grimmig.
»Jesus. Genau das, was wir zu allem anderen gebraucht haben.«
»Ich habe das Gefühl, dass dieser Tag tausend Jahre gedauert hat.« Beck erzählte ihm, was passiert war, und brachte ihn auf den aktuellen Stand. »Der Helikopter war gerade losgeflogen, als du zurückgerufen hast. Seine Frau durfte nicht mitfliegen. Ihr Schwager fährt sie in diesem Moment nach New Orleans.«
Dass sie ihn angespuckt hatte, erwähnte er nicht. Was würde er damit bewirken, außer dass Chris eine schlechte Meinung von Mrs. Paulik bekäme? Beck hatte sie nicht. Er konnte verstehen, dass sie vor Angst und Verzweiflung außer sich gewesen war.
Doch auch in ihrer Aufregung war sie noch so weit bei Sinnen gewesen, dass sie sich ausrechnen konnte, welche unumkehrbaren Folgen diese Nacht für ihre Familie haben würde. Vielleicht würde ihr Ehemann nicht überleben. Falls doch, wäre er nicht mehr derselbe. Ihre wirtschaftliche Zukunft war akut in Gefahr. Heute Abend hatte ihr Leben eine einschneidende Wendung genommen. Kein Wunder, dass sie voller Verachtung auf seine platten Trostworte reagiert hatte, auf sein Geld und auf ihn, der nichts weiter zu bieten gehabt hatte.
So würdevoll wie nur möglich hatte er sich wieder aufgerichtet und sein Gesicht mit einem Taschentuch abgewischt, dann hatte er sich von ihr und ihren Kindern entfernt. Fred Decluette hatte sich schrecklich für ihr Benehmen geschämt. »Sie brauchen sich nicht für sie zu entschuldigen, Fred«, hatte ihm Beck erklärt, als Fred Mrs. Paulik stammelnd in Schutz nehmen wollte. »Sie ist verängstigt und aufgeregt.«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass nicht alle so denken wie sie, Mr. Merchant. Ich möchte nicht, dass es bei den Hoyles so ankommt, als wären wir undankbar, wenn so was passiert.«
Beck hatte dem nervösen Vorarbeiter versichert, dass der Zwischenfall mit Mrs. Paulik schon vergessen wäre. Auch aus diesem Grund hatte er ihn Chris gegenüber nicht erwähnt.
»Billy wird operiert, aber der Arzt in der Notaufnahme hat mir erzählt, sein Arm sei so zerquetscht, dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn man ihn erfolgreich wieder annähen oder gar heilen könnte, und dass man Billy einen Gefallen täte, wenn man es gar nicht erst versuchte.«
Er verstummte, um einen Schluck Kaffee zu trinken, und sah dann auf, weil ein weiterer Gast in den Diner getreten war. Es war Slap Watkins, der die gleiche aggressive Arroganz ausstrahlte wie am Abend zuvor. »Ist der hier eingezogen?«
Beck beobachtete Slap weiter, der knapp hinter der Tür stehen geblieben war und sich jetzt suchend umsah. Als Slap ihn und Chris bemerkte, zog er das Kinn ein wenig zurück, als wäre er überrascht, die beiden hier zu sehen.
»So, so, Slap Watkins«, bemerkte Chris locker. »Lange nicht gesehen. Wie war’s im Knast?«
Slap sah abschätzig vom einen zum anderen und sagte dann zu Chris: »Jedenfalls besser als in eurer Gießerei.«
»Bei dieser Einstellung ist es wohl nur gut, dass mein Bruder dich nicht eingestellt hat.«
»Ja, wo wir gerade von deinem Bruder sprechen …« Auf Slaps Gesicht machte sich ein Grinsen breit, bei dem sich Beck die Haare aufstellten. »Ich wette, der gute Danny ist inzwischen richtig reif.« Er
Weitere Kostenlose Bücher