Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
the arms of an angel
»Du kannst nicht hierbleiben, du dummer Hund«, schimpfte ich ihn, als es langsam dunkel wurde. »Du musst zu Dad zurücklaufen. Du musst wieder nach Hause.«
Hamloaf legte den Kopf schief, und ich wusste, er dachte dasselbe wie ich.
Welches Zuhause?
Er hatte recht. Aber wie sollte das funktionieren? Ein Hund, der mutterseelenallein den Highway entlangtrottete, würde über kurz oder lang eingefangen werden und entweder in einem Tierheim landen oder von jemandem adoptiert werden – was wahrscheinlicher war. Denn wie könnte man so einem süßen Kerl schon widerstehen?
»Wahrscheinlich würden sie dir irgendeinen schrecklichen neuen Namen geben wie Buster oder Sparky.« Ich schniefte. »Das lassen wir nicht zu.«
Er gähnte mit megaweit aufgesperrtem Maul und legte sich auf den Bauch.
»Ganz deiner Meinung!«
Also blieben wir noch eine ganze Weile so zusammen sitzen und beobachteten, wie die Flut kam und die Sterne aufgingen. Ich erzählte Hamloaf, wo ich gewesen war und was ich erlebt hatte. Ich erzählte von Patrick und der Kreuzworträtsel-Lady, vom Sprung von der Golden Gate Bridge – den zwei Sprüngen – und dass ich lieber ein zweites Mal sterben würde, als jemals wieder ein Stück Pizza zu essen. Er legte seinen seidenweichen, knuddeligen Hundekopf in meinen Schoß und seufzte wie in alten Zeiten.
Ich wusste, wie er sich fühlte.
Mit Hamloaf neben mir war es fast so, als seien wir einfach nur ein Mädchen und sein Hund – und nicht eine verlorene Seele und ein entlaufener Streuner. Und ich hoffte inständig, dass es im T&J ein Kapitel über das Beamen mit Hunden gab. Doch wahrscheinlich war das keine besonders clevere Idee.
Ich sah ihn an und küsste ihn auf die Schnauze. »Das würde mir gerade noch fehlen. Jemand, der wegen einem unbekannten fliegenden Hund die Behörden verständigt.«
Hamloaf schmiegte sich noch enger an mich, und ich schloss die Augen, nur für einen kurzen Moment. Es war schon fast dunkel. Und es tat so unglaublich gut, ein wenig auszuruhen.
Doch dann spürte ich plötzlich, wie aus dem Nichts, unzählige, winzige Nadelstiche auf meiner Haut. Mein inneres Warnsystem schaltete auf höchste Alarmstufe, und ich fuhr hoch. Hamloaf hielt seine Schnauze in die Luft und schnüffelte, während er mit dem Schwanz auf den Sand klopfte.
Bumm. Bumm-bumm.
»Schh.« Ich sah mich um, konnte aber nicht viel erkennen und bekam es mit der Angst. Was zum Teufel suchte ich hier eigentlich, ganz allein in der Dunkelheit? »Komm her, Junge.« Ich schlang meine Arme um Hamloaf. Er war zwar nicht gerade ein Deutscher Schäferhund, aber hoffentlich würde, wer immer dort draußen war, das nicht bemerken. »Kannst du nicht ein bisschen knurren?«, flüsterte ich.
Hamloaf kratzte sich am Ohr und schnaubte.
O ja, das wird sie sicher einschüchtern.
Vor mir flackerte ein kleines gelbes Licht auf. Erschrocken sprang ich auf und hielt den Atem an. Einen Augenblick später war es wieder verschwunden. Doch dann leuchtete ein anderes Licht auf, nur ein paar Zentimeter neben meiner Schulter hing es in der Luft.
»Was ist das?«
Und kurz darauf kam ein weiteres hinzu. Und noch eines. Staunend beobachtete ich, wie nach und nach die ganze Nachtluft von ihnen erfüllt war – winzig kleine blinkende Lichter schwirrten um uns herum.
Glühwürmchen.
Bald waren es so viele, dass man sie nicht mehr zählen konnte. Hunderte und Aberhunderte von ihnen. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Weder im wirklichen Leben noch im Traum. Es war einfach unglaublich.
Nein, das war Magie.
Wir sahen gebannt zu, wie die Glühwürmchen langsam den Strand entlang Richtung Norden zogen. Und den Weg nach San Francisco beleuchteten.
»Das ist ein Zeichen«, flüsterte ich. »Das muss ein Zeichen sein.« Ich spürte ihre zarten Flügelschläge, die sanft meine Kette kühlten, und beobachtete die Lichtspuren, die sie im Dunkeln hinterließen, wenn sie sich an- und ausschalteten, und die die Küste in ein sanftes, freundliches Glühen tauchten.
Hamloaf schüttelte sich, sprang in die Luft und jagte ihnen zum Meer hinunter nach.
»Warte, Ham! Warte auf mich! «
Ich rannte ihm hinterher und lachte, als meine Füße in das kühle glitzernde Wasser platschten. Wir tollten in dem leuchtenden Funkeln herum und folgten den Glühwürmchen den Küstenstreifen entlang. Zum ersten Mal seit langer Zeit erfüllte mich ein längst vergessenes Gefühl.
Hoffnung.
Das Gefühl, dass noch alles möglich
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