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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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verschlimmerte sich ihre Lage noch mehr, ihre Farmen und Häuser wurden geplündert, die Männer getötet und die Frauen vergewaltigt. Irgendwann gab es rund siebzehntausend Bantu in Kakuma, und selbst dort waren sie nicht sicher, da ihre große Zahl viele Sudanesen störte, die das Camp als das ihre betrachteten.
    Gleich nach den Händlern kamen die SPLA-Kommandanten und danach die Ugander, von denen es nur rund vierhundert gab. Sie gehörten überwiegend Joseph Konys Lord’s Resistance Army an, einer Rebellengruppe, die das regierende National Resistance Movement ablehnte. Die Ugander konnten nicht zurück in ihre Heimat. Die meisten von ihnen waren dort bekannt und auf ihre Köpfe waren Belohnungen ausgesetzt. Im ganzen Lager verteilt waren Grüppchen von Kongolesen, Burundern und Eritreern sowie ein paar Hundert Ruander, über die viele argwöhnten, sie hätten sich an dem Völkermord beteiligt und seien in ihrer Heimat nicht willkommen.
    Irgendwo auf den unteren Sprossen der Leiter befanden sich die elternlosen Jungen, die Lost Boys. Wir hatten kein Geld, keine Verwandten und kaum Möglichkeiten, an dieser Situation etwas zu ändern. Allerdings entsprach, von einer Familie aufgenommen zu werden, einem ersten Schritt nach oben. Die Tatsache, dass ich mit Gop Chol zusammenwohnte, hatte mir einiges Ansehen und einige Privilegien verschafft, aber ich wusste, dass es nach der Ankunft von Gops Familie schwierig werden würde, die Lebensmittelrationen aufzuteilen. Mit so vielen jungen Mädchen im Haus würden außerdem noch eine Menge anderer Dinge notwendig werden, was wiederum bedeutete, dass wir mehr Einkommen brauchten, und eine zusätzliche Lebensmittelkarte war der Anfang zu einem Leben in Wohlstand.
    – Einer von uns wird recyceln müssen, wenn die Mädchen hier sind, sagte Gop eines Tages.
    Und ich wusste, dass er recht hatte. Ich bekam wöchentlich meine eigene Ration, und Gop hätte, wenn seine Frau und seine Töchter da wären, Anrecht auf eine Familienration. Aber die Zuteilungen für eine fünfköpfige Familie würden nicht ausreichen, und wir wussten, dass es sich unmittelbar nach der Zählung anbieten würde zu recyceln, weil dann ganz besonders sorgfältig darauf geachtet werden würde, wie viel Essen verteilt wurde.
    – Ich werde gehen, sagte ich, und ich war mir meiner Sache sicher.
    Ich würde gehen, sobald seine Frau und seine Töchter ankamen, verkündete ich. Gop tat so, als sei er über mein Angebot erstaunt, aber ich wusste, dass er das von mir erwartete. In Kakuma recycelten nur die jungen Männer, und ich wollte der Familie meinen Wert beweisen, wollte mir kurz nach ihrer Ankunft ihren Respekt verdienen.
    In den Wochen danach kam es oft vor, dass Achor Achor und ich abends vor meiner Unterkunft lagen, wo wir im klaren blauen Licht des Mondes Hausaufgaben machten und meinen Recycling-Trip besprachen.
    – Du brauchst eine Extrahose, sagte Achor Achor.
    Ich hatte keine Ahnung, wozu ich eine zusätzliche Hose brauchte, doch Achor Achor klärte mich auf: Ich bräuchte die Hose, weil ich dafür die Ziege bekäme.
    – Eine Hose müsste reichen, mutmaßte er.
    Ich fragte Achor Achor, wozu ich eine Ziege brauchte.
    – Du brauchst die Ziege, damit du die Shillinge bekommst.
    Ich bat ihn, ganz von vorn anzufangen.
    Ich bräuchte eine Extrahose, sagte er, weil ich, wenn ich Kakuma verließ, nach Narus im Sudan reisen würde, und im Sudan gäbe es diese neuen, in China produzierten Hosen nicht, die in Kakuma Town angeboten wurden. Wenn ich mit so einer Hose nach Narus käme, könne ich sie gegen eine Ziege eintauschen. Und ich bräuchte eine Ziege, denn wenn es mir gelänge, eine gesunde Ziege zurück nach Kakuma zu bringen, wo Ziegen selten waren, dann könnte ich das Tier für zweitausend Shilling oder noch mehr verkaufen.
    – Wenn du schon da draußen dein Leben riskierst, solltest du wenigstens versuchen, etwas Geld zu machen.
    Zum ersten Mal hörte ich, dass die Reise noch immer gefährlich war. Oder besser gesagt, ich wusste, dass man früher, wenn man Kakuma verließ und auf den Straßen vor Lokichoggio und hinter Lokichoggio unterwegs war, durchaus auf Banditen treffen konnte, Turkana-und Taposa-Banditen, die einen bestenfalls ausrauben und schlimmstenfalls zuerst ausrauben und anschließend töten würden. Ich hatte geglaubt, dass diese Gefahren der Vergangenheit angehörten, aber anscheinend war dem nicht so. Dennoch feilten wir weiter an dem Plan, und Gop machte mit.
    – Du solltest mehr

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