Weit Gegangen: Roman (German Edition)

endlich kamen, waren sie alle gesund und munter, aber sie kamen ohne jede Vorwarnung. Eines Morgens gingen Gop Chol und ich zur Wasserpumpe, um Wasser für die nächsten Tage zu holen. Als wir uns der Pumpe näherten, sahen wir in der Ferne einen Rotes-Kreuz-Van durch den Staub brausen. Wir blieben beide stehen, schließlich war ein solcher Van in unserem Teil des Lagers ein ungewöhnlicher Anblick, und gleichzeitig fragten wir uns beide, ob das sein könne. Gop hatte eine Woche zuvor erfahren, dass seine Familie in nächster Zeit hierher gebracht werden sollte, aber seitdem nichts mehr gehört. Wir beobachteten den Van, der langsamer wurde, als er sich unserer Unterkunft näherte, und als er schließlich vor unserer Tür hielt, war Gop schon losgerannt. Ich lief hinter ihm her. Gop war kein guter Läufer, daher überholte ich ihn rasch. Schon von Weitem brüllte Gop los. Er klang irre und krank.
    – Aha! Aha! Ihr seid da! Ihr seid da!
    Sie konnten uns noch nicht hören. Wir waren ein paar Hundert Meter entfernt.
    Ein zartes, zerbrechliches Mädchen in einem weißen Kleid stieg als Erste aus dem Van, gefolgt von zwei weiteren Mädchen, jede größer als die vorherige, gleichfalls in Weiß. Sie blieben stehen, blinzelten im Sonnenlicht und strichen sich die Kleider über den Beinen glatt. Ihnen folgte eine schöne Frau in Grün, das Grün von regennassen Elefantenblättern. Sie stand da, schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und schaute sich in Kakuma um.
    – Ihr seid da! Ihr seid da!
    Gop schrie aus Leibeskräften, war aber noch immer nicht nah genug, um gehört zu werden. Er rannte und wedelte wild mit den Armen. Bald war er so nah, dass die Frau in Grün ihn sah, allerdings nur als undeutliche Gestalt im Staub. Ich war vorgelaufen und konnte die Familie deutlich sehen.
    – Hallo!, schrie er.
    Sie wandte ihm das Gesicht zu und blickte ihn so angewidert an, wie man Betrunkene und tobende Irre ansieht. Der Fahrer half ihnen mit ein paar Gepäckstücken, die er hinten aus dem Van holte und vor dem Haus abstellte.
    – Ich bin’s! Ich bin’s!, brüllte Gop jetzt, und es war unübersehbar, dass die Mädchen und die Mutter beklommen auf diesen Mann blickten, der auf sie zugerannt kam.
    Gop war keine hundert Meter mehr von ihnen entfernt, als er es sich offenbar anders überlegte. Er wurde langsamer, blieb stehen und schwenkte dann geduckt von der Straße ab. Ich folgte ihm, als er durch den anarchischen Irrgarten der Hütten lief. Wir waren jetzt außer Sichtweite der Straße und Gops Familie. Er sprang über die niedrigen Zäune der benachbarten Unterkünfte, bückte sich unter Wäscheleinen hindurch und wich den erbärmlich mageren Hühnern unserer Nachbarn aus, bis er die Hintertür unserer gemeinsamen Unterkunft erreicht hatte. Er betrat sein Zuhause, und ich folgte ihm. Ich hörte jemanden an der Vordertür, und ich vermutete, dass es der Fahrer vom Roten Kreuz war, der laut und ungeduldig anklopfte.
    Gop war in seinem Schlafzimmer.
    – Mach nicht auf!, flehte er mich an. – Ich muss mich erst umziehen.
    Ich wartete an der Tür.
    – Sie sollen nicht erfahren, dass ich der Mann bin, der schreiend über die Straße gerannt ist.
    Das hatte ich mir inzwischen schon gedacht. Ich wartete also an der Tür, während Gop sich Wasser ins Gesicht spritzte und sich umzog und reinigte. Nach einer Minute tauchte er frisch und gepflegt auf, in seinem schönsten weißen Hemd und in sauberer Kakihose.
    – Ich bin so weit, ja?
    Ich nickte und öffnete die Tür. Gop breitete die Arme aus und trat nach draußen.
    – Meine Frau! Meine Töchter!
    Und er hob die Mädchen eins nach dem anderen hoch, wobei er mit der Ältesten anfing und mit der Jüngsten und Zartesten aufhörte, einem ganz kleinen Mädchen, das er an diesem Tag die meiste Zeit auf dem Arm hielt, während sie auspackten und aßen. Die Familie hatte aus dem Sudan viele Spezialitäten mitgebracht, und er und ich zeigten den Frauen das Haus, das wir für sie gebaut hatten.
    – Da draußen ist vorhin ein Verrückter die Straße runtergerannt, sagte seine Frau schließlich, als sie die Betten der Mädchen herrichtete. – Hast du den gehört?
    Gop seufzte. – Hier gibt es alle möglichen Arten von Menschen, mein Schatz.
    Ich verstand mich sehr gut mit Gops Frau Ayen und ihren Töchtern Abuk, Adeng und Awot. Der Umbau der Unterkunft, der umfassend war, veränderte mein Leben und erwies sich für alle als vorteilhaft. Da Gop und seine Frau jetzt ein eigenes