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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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froh über die Chance waren, mehr Ballkontakte zu bekommen als bei den Massenaufläufen, die bei uns als Fußball galten. Die Ugander waren gute Strategen – sie verstanden etwas von Basketball –, die Somalis waren flink, aber die Sudanesen dominierten das Spiel, weil wir mit unseren langen Beinen und Armen ganz einfach alle anderen überragten. Wenn ein Spiel zustande kam und die Sudanesen eine Mannschaft bildeten, gewannen wir unweigerlich gegen jedes Team, das gegen uns antrat, ganz gleich, wie gut die Weitwürfe waren, ganz gleich, wie schnell die Verteidiger waren, ganz gleich wie viel Siegeswillen unsere Gegner aufbrachten. Es machte uns sehr stolz, wenn wir uns endlich einmal wieder so sehen konnten wie früher, als die Könige Afrikas, die Monyjang, das auserwählte Volk Gottes.
    In den Tagen ehe Gops Familie eintreffen sollte, begann er, sich verschiedene Szenarien auszumalen, warum seine Frau und seine Töchter es nicht nach Kakuma schaffen würden. Sie könnten von Banditen erschossen werden, gab er zu bedenken. Ich antwortete dann, dass das ganz ausgeschlossen sei, weil sie mit vielen anderen zusammen unterwegs und somit sicher waren, vielleicht sogar in einem Fahrzeug reisten. Daraufhin war Gop etwa eine Stunde lang beruhigt, um dann regelrecht manisch zu werden. Er nahm sein Bett auseinander und baute es wieder zusammen und wurde erneut von schrecklichen Zweifeln befallen.
    – Was ist, wenn meine Töchter mich nicht wiedererkennen?, fragte er sechsmal am Tag. Die Antwort darauf fiel mir schwer, weil ich mich selbst nicht mehr erinnern konnte, wie meine eigenen Eltern aussahen. Schlimmer noch, Gops Töchter waren jünger, viel jünger gewesen, als er sie verließ. Seine drei Töchter waren alle jünger als fünf gewesen, und inzwischen waren acht Jahre vergangen. Keine von ihnen würde Gop wiedererkennen.
    – Natürlich werden sie dich erkennen, sagte ich. – Jedes Mädchen erkennt seinen Vater.
    – Du hast recht. Du hast recht, Achak. Danke. Ich mache mir zu viele Gedanken.
    Tag für Tag wartete Gop auf Nachrichten über die Leute, die auf dem Weg nach Kakuma waren. Gelegentlich erfuhren wir von Flüchtlingsbewegungen. Dann rechneten wir mit ihrer Ankunft und bereiteten uns darauf vor. Selbst nach drei Jahren konnten in jeder beliebigen Woche tausend neue Flüchtlinge eintreffen, und das Camp schwoll Meile um Meile an, sodass sich mein morgendlicher Rundgang ständig veränderte. Kakuma wurde so groß, dass es Kakuma I, II, III und IV umfasste. Es war eine Flüchtlingsstadt mit eigenen Vororten.
    Die meisten Neuankömmlinge stammten aus Gebieten des Sudan, die näher an der kenianischen Grenze lagen. Kaum jemand kam auch nur annähernd aus der Gegend um Marial Bai. Die meisten, die ich fragte, hatten noch nie von meinem Dorf gehört. Und wenn sie überhaupt irgendetwas über das nördliche Bahr al-Ghazal zu wissen glaubten, dann lieferten sie nur ganz allgemeine Berichte über dessen vollständige Vernichtung.
    – Du kommst aus dem nördlichen Bahr al-Ghazal?, sagte ein Mann. – Da lebt keiner mehr.
    Ein anderer älterer Mann, dem ein Bein fehlte, war genauer.
    – Im nördlichen Bahr al-Ghazal sind jetzt die Murahilin zu Hause. Sie haben alles erobert. Es ist ihr Weideland. Dort ist nichts mehr, wohin du zurückkehren könntest.
    Eines Tages brachte ein Junge, den ich nicht gut kannte, Neuigkeiten über meine Heimat. Ich war vor Unterrichtsbeginn an der Wasserpumpe, als der Junge namens Santino angelaufen kam und erzählte, dass im Lopiding Hospital ein Mann aus Marial Bai sei. Ein anderer Junge war wegen Malaria im Krankenhaus gewesen und hatte sich mit dem Mann unterhalten, der meinen Heimatort erwähnte, und dieser Mann hatte sogar gesagt, er könne sich an mich, Achak Deng, erinnern. Ich würde also rasch eine Möglichkeit finden müssen, nach Lopiding zu kommen, dachte ich, denn das war das erste Mal in vielen Jahren, dass jemand aus Marial Bai nach Kakuma gekommen war.
    Doch dann dachte ich an Daniel Dut, einen anderen Jungen, den ich kannte und der auf Nachrichten von seiner Familie gewartet hatte, nur um erfahren zu müssen, dass alle tot waren. Noch Monate später hatte Daniel beteuert, er wünschte, er hätte es nie erfahren, dass es leichter sei, in Ungewissheit und voller Hoffnung durchs Leben zu gehen als zu wissen, dass keiner mehr da war. Das Wissen, dass deine Verwandten tot waren, löste Vorstellungen darüber aus, wie sie gestorben waren, wie sie vielleicht gelitten hatten,

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