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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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unseren Sünden zu erlösen?
    – Wir glauben!
    Und dann wurde mir kaltes, sauberes Wasser über den Kopf geschüttet. Pater Matong hatte es den weiten Weg von Aweil mitgebracht.
    Dabei erhielt ich meinen Taufnamen Valentino, den Pater Matong ausgesucht hatte. Viele Jungen hörten auf ihren Taufnamen, doch in meinem Fall wurde er nur selten verwendet, weil keiner, mich selbst eingeschlossen, ihn aussprechen konnte. Wir sagten Valdino, Baldero, Benedeeno. Erst als ich in einem äthiopischen Flüchtlingslager lebte, benutzten ihn alle, die mich kannten. Damals sah ich Pater Matong wieder, ein unwahrscheinlicher Zufall nach so vielen Kriegsjahren. Damals rief er mir meinen Taufnamen in Erinnerung, erklärte mir dessen Herkunft und brachte mir bei, ihn richtig auszusprechen.
    Diese Geschichte gefiel Edgardo sehr. Bis dahin hatte er nicht gewusst, dass ich Katholik war wie er. Wir nahmen uns vor, eines Tages zusammen zur Messe zu gehen, doch bis jetzt haben wir das noch nicht getan.

II.
    »Sieh dir den Typen an. Blutet am Kopf und glotzt wütend!«
    Puder meint mich. Er steht noch immer am Fenster, aber seine Komplizin ist schon seit einer Weile im Badezimmer. Durch diese neue Entwicklung, dadurch dass sie mein Badezimmer benutzt, bin ich mir nun sicher, dass ich diese Wohnung werde verlassen müssen. Jetzt ist ihre Entweihung komplett. Am liebsten würde ich hier Feuer legen, sobald sie weg sind.
    »He, Tonya, komm raus und sieh dir diesen nigerianischen Prinzen an. Was ist los mit dir, Mann? Bist du noch nie ausgeraubt worden?«
    Jetzt starrt auch sie mich an. Sie heißt Tonya.
    »Gewöhn dich dran, Afrika«, sagt sie.
    Mir kommt der Gedanke, dass sich meine Chancen, entdeckt zu werden, verbessern, je länger der Polizist auf dem Parkplatz ist. Solange der Cop dort ist, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Achor Achor zurückkommt oder Edgardo an meine Tür klopft. Er klopft nur ganz selten – er ruft lieber an –, aber es ist nicht ausgeschlossen. Falls er an meine Tür klopft, würde herauskommen, was hier geschieht.
    Mein Handy klingelt. Tonya und Puder lassen es klingeln. Minuten später klingelt es erneut. Es muss fünf Uhr sein.
    »Guck dir diesen Zuhälter an«, sagt Puder, »bei dem klingelt alle paar Minuten das Handy. Bist du so ’ne Art Zuhälter, Prinz?«
    Wenn ich keine Regeln aufgestellt hätte, würde das Telefon ununterbrochen klingeln. Es gibt einen Kreis von rund dreihundert Sudanesen in den USA, die miteinander in Verbindung bleiben, ich mit ihnen, aber häufiger sie mit mir, und wir tun das auf eine Art, die man für exzessiv halten könnte. Alle denken, ich habe so etwas wie einen direkten Draht zu den Rebellen der SPLA. Sie rufen an, um sich irgendwelche Gerüchte bestätigen zu lassen, um meine Meinung zu neuen Entwicklungen zu erfahren. Ehe ich darauf bestand, nur in der Zeit zwischen fünf und neun angerufen zu werden, hatte ich durchschnittlich siebzig Anrufe pro Tag erhalten. Ich neige nicht zu Übertreibungen. Die Anrufe hören nicht auf. Jedes Fünfminutengespräch wird bestimmt acht-oder neunmal durch weitere Anrufe unterbrochen. Da ruft Bol aus Phoenix an, und während ich mit ihm über ein Visum für seinen Bruder rede, der sich bis Kairo durchgeschlagen hat, ruft James aus San Jose an, und er braucht Geld. Wir tauschen Informationen über Jobs aus, über Autokredite, Versicherungen, Hochzeiten, die Ereignisse im Südsudan. Als John Garang, der Kopf der SPLA und der Mann, der mehr oder weniger den Bürgerkrieg entfacht hat, im vergangenen Juli bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, hielten sich die Anrufe an keine vereinbarten Zeiten mehr. Ich war vier Tage lang ohne Unterbrechung am Telefon. Dabei wusste ich nicht mehr als jeder andere auch.
    In vielen Fällen haben die Lost Boys des Sudan sonst niemanden. »Lost Boys« ist eine Bezeichnung, die nicht viele von uns schätzen, aber sie ist passend. Wir flohen von zu Hause oder wurden fortgeschickt, viele von uns sind verwaist, und Tausende zogen jahrelang, so kam es uns zumindest vor, durch Wüsten und Wälder. In vielerlei Hinsicht sind wir allein, und meistens wissen wir nicht einmal, in welche Richtung wir uns eigentlich bewegen. In Kakuma, einem der größten und entlegensten Flüchtlingscamps der Welt, fanden wir – zumindest viele uns – neue Familien. Ich wohnte bei einem Lehrer aus meinem Heimatort, und als er nach zwei Jahren seine Frau und Kinder ins Lager holte, waren wir so etwas wie eine Familie. Wir waren

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