Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Fachsprache heißen. In Tat und Wahrheit sind solche Journalistenreisen nichts viel anderes als Public-Relations-Übungen. In den meisten Fällen gehen die Reporter begeistert nach Hause und schreiben glühende Artikel über die Schönheit des Landes, über hüpfende Kängurus und tanzende Aborigines.
Gelegentlich aber gehen solche Marketing-Aktionen in die Hose.
Ein Flug von Sydney nach Perth führt einem vor Augen, wie groß dieses Land ist. 3938 Kilometer, vier Stunden im Flugzeug. Auf europäische Verhältnisse umgerechnet, kommt das einer Reise von Frankfurt nach Kairo gleich. Von der Hauptstadt Westaustraliens geht es gleich noch mal zwei Stunden weiter, nach Newman, mitten ins Pilbara-Gebiet. Am Flughafen treffe ich Katrina, unsere australische Reiseleiterin. Mit dabei sind der Franzose Pierre und die Italienerin Maria, zwei Reisejournalisten. Pierre ist 55 Jahre alt, ein alter Hase im Geschäft. Maria ist 23 und hat gerade ihr Journalismusstudium abgeschlossen. Sie hat das unaufdringliche Auftreten, das viele Italienerinnen auszeichnet – charmant und gleichzeitig sehr selbstbewusst. Katrina ist eine pummelige 35-jährige Australierin kleiner Statur. »Wir haben ein Abenteuer vor«, meint sie am Abend beim Bier im Pub und schaut mir tief in die Augen. Eine Sekunde lang frage ich mich, ob das eine Warnung sein soll.
Newman ist eine dieser Siedlungen im Nordwesten von Westaustralien, die es eigentlich nur aus einem Grund gibt: Rohstoffe. Kein Gebiet auf der Welt hat mehr hochgradiges Eisenerz im Boden als die Pilbara. 95 Prozent des Rohstoffs für die Stahlherstellung, den Australien exportiert, werden hier gefördert. Newman und Tom Price sind die Dienstleistungszentren für die umliegenden Tagebauminen. »Die Leute haben roten Staub im Blut«, erklärt Katrina. Und Kohle im Geldbeutel. Bergbaukumpel gehören zu den am besten bezahlten Arbeitern Australiens. Die Preise sind so hoch, dass man als Tourist oder gewöhnlicher Besucher hier kaum leben kann. Im Pub komme ich mit Ken ins Gespräch. Wie die meisten hier ist er ein Auswärtiger. Er ist aus Sydney gekommen, angelockt vom großen Geld, den die Rohstoffindustrie bietet. »Ich verdiene hier mindestens doppelt so viel wie zu Hause.« Ken ist Dieselmechaniker, 34 Jahre alt. »Drei Jahre hier, und ich habe meine Hypothek abbezahlt«, sagt er. Für einen Moment überlege ich, meinen Beruf zu wechseln. Ich trinke mein Bier aus und gehe schlafen.
Am nächsten Morgen, früh um fünf, holt uns Jim ab. »Ich bin euer Reiseführer«, sagt er. Seine Hand zittert, der schwarze Kaffee schwappt über den Rand seines Pappbechers. Ich bemühe mich immer, Recherchen so offen wie möglich anzugehen. Doch wenn ich Jim sehe, leuchten meine inneren Alarmlampen auf. Maria scheint Ähnliches zu denken. Etwa 40 Jahre alt, macht Jim einen chaotischen Eindruck, unorganisiert, schmuddelig. Seine Haare sind ungekämmt und fettig in einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Während Maria und ich uns mit sorgenvollen Blicken ansehen, scheint Pierre das alles nicht zu kümmern. Er interessiert sich nur für die Kopfschmerztablette, die er aus der Packung drückt und mit einem Schluck aus der Wasserflasche runterspült. »Ich bin etwas länger aufgeblieben«, meint er und schaut uns mit rot unterlaufenen Augen an. Pierre hat im Pub mit ein paar Kumpeln aus der Mine die Nacht durchgesoffen. Nur Katrina ist die Fröhlichkeit in Person. »Denkt daran, euch mit Sonnencreme einzuschmieren«, sagt sie. »Die Strahlung hier ist sehr stark.«
Jims Fahrzeug ist in ähnlichem Zustand wie sein Besitzer. Ein alter Toyota Troop Carrier, eigentlich ein solides Allradfahrzeug, so eines braucht man hier in einer der wildesten und unwirtlichsten Gegenden des Kontinents. Doch die Reifen sind abgewetzt, die Hecktür lässt sich nur mit Gewalt öffnen. Wir wuchten uns hinten auf die Bank. Zwischen Kisten, Rucksäcken und Schlafsäcken bleibt nur wenig Platz für unsere Beine. So fahren wir, die Knie unters Kinn gequetscht, drei Stunden lang über holprige Schotterstraßen. Nach zwei Tagen in diesem Wagen werden wir alle Druckwunden haben, denke ich.
Die Schönheit der Landschaft lässt uns unser Leid jedoch zeitweise vergessen. Kleine Hügel mit einzelnen, weißen Eukalyptusbäumen. Wie dünne, gekrümmte Gestalten unterbrechen sie den weiten Horizont. Eine orange-rote Urlandschaft, ausgebleicht von der unbarmherzigen Sonne, liegt unter einem tiefblauen, wolkenlosen Himmel. »Die Pilbara haben
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