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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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sie ins Blatt nimmt oder auf die Webseite. Meine Traumstory: Ein Tourist – Deutscher oder Schweizer natürlich – fällt bei herrlichem australischen Wetter von der Terrasse hinter dem Opernhaus von Sydney ins Meer und wird von einem Hai gefressen. Ideal wäre, wenn ihn ein Känguru ins Wasser stoßen würde. Aber das ist vielleicht etwas viel verlangt.
    Diese Geschichte würde aber mit Sicherheit ins Blatt kommen. So wie fast jede Geschichte, in der australische Tiere mitspielen. Die Giftschlange, die das beste Stück eines urinierenden Busfahrers um Millimeter verpasst und ihn »nur« in den Oberschenkel beißt. Die Würgeschlange, die ein schlafendes Kleinkind umklammert. Die Tourismusindustrie sieht solche Meldungen zwar offiziell nicht gerne, weil sie das Potential haben, mögliche Besucher abzuschrecken. Aber dieses Land ist nicht zuletzt wegen seiner gefährlichen Tierwelt attraktiv. Eine Abenteuerdestination. In Australien kann man noch auf wirklich archaische Weise umkommen: von einem Hai lebendig gefressen werden, innerhalb von Minuten am Gift der tödlichsten Schlangen der Welt sterben, nach einer minimalen Berührung der Tentakeln durch die Schachtelqualle unter höllischen Schmerzen zugrunde gehen. »Furchtbar für die Betroffenen, gut fürs Geschäft«, hat mir einmal ein Vertreter der australischen Tourismusbehörde zugeflüstert. Im Kakadu-Nationalpark hatte ein Krokodil in einem Tümpel eine junge deutsche Touristin beim Baden getötet, und die Meldung lief an diesem Tag in so ziemlich jeder deutschen Nachrichtensendung. »Die Zahl der Anfragen von interessierten potentiellen Besuchern aus Deutschland stieg in den Monaten danach deutlich an«, so der Mann von der Tourismusbehörde in Darwin.
    Dabei ist die Chance, von einem Krokodil gefressen, von einer Qualle berührt oder von einer Schlange gebissen zu werden, geradezu verschwindend klein. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 starben 14 Menschen nach dem Biss einer Schlange, neun wurden Opfer eines Krokodils, 16 starben zwischen den Kiefern eines Hais.
    Die wahren Gefahren für Australienreisende sind nicht Schlangen, Krokodile oder Haie, sondern Selbstüberschätzung oder Fahrlässigkeit – die eigene oder die anderer. Die meisten ausländischen Besucher sterben im Straßenverkehr. Weil sie auf Schotterstraßen zu schnell fahren oder weil sie kurz vergessen haben, dass in Australien Linksverkehr herrscht. Fast jedes Jahr kommen Besucher aus Zentraleuropa auf abgelegenen Landstraßen um. Sie wachen am Morgen auf, packen im Halbschlaf ihr Zelt zusammen und fahren los, unbeschwert der Sonne entgegen. Auf einer leeren Straße, kein anderes Fahrzeug ist um diese Zeit in Sichtweite. Ohne es zu bemerken, sind sie der Gewohnheit von zu Hause gefolgt. Sie fahren rechts. Dann, bei der nächsten Kurve, kommt es zur Frontalkollision mit einem korrekt entgegenkommenden Auto. Nicht in jedem Fall natürlich. Ich frage mich, zu wie vielen Beinahezusammenstößen es jeden Tag in Australien kommt. Denn betroffen sind keineswegs nur Touristen. Christine kommt eines Tages zitternd nach Hause. »Jetzt ist es beinahe geschehen«, sagt sie. »Ich war plötzlich auf der falschen Straßenseite.« Sie habe sogar noch ungeduldig darauf gewartet, dass ein anderes Auto abbiegt. Dessen Fahrerin habe erst wild gestikuliert, dann fasste sie sich an den Kopf. »Erst dann habe ich bemerkt, wo ich eigentlich stand«, sagt Christine. Später lese ich, dass Linksverkehr für das menschliche Gehirn einfacher zu verarbeiten sei als Rechtsverkehr. Aber wohl nicht nach vielen Jahren Autofahren in Deutschland.

KAPITEL 6
    Bei meinem nächsten Job wird mich ein »erfahrener australischer Outback-Abenteurer« fahren, lese ich in den Unterlagen. Während Christine damit beginnt, in unserem Haus ein Kinderzimmer einzurichten – komplett mit einem Poster der Schweizer Alpen an der Wand –, packe ich meine Reisetasche. Ich habe den Auftrag, eine Reportage über eine Campingtour im Pilbara-Gebiet von Westaustralien zu machen. »Stilvoll durchs Outback«, heißt es im Programm. Die staatliche Tourismusmarketing-Behörde »Tourism Australia« und die Büros der einzelnen Bundesländer laden regelmäßig Journalisten zu sogenannten »Familiarisierungstouren« ein – Gelegenheiten für Medienvertreter, nicht nur die atemberaubende Natur und Landschaft Australiens zu sehen, sondern auch die »Qualität des touristischen Produktes« zu erleben, wie Reisen, Hotels und Touren in der

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