Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Hunde! Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt. Gegengift, Infusionen, Beruhigungsmittel – für zwei Stunden sogar künstliche Beatmung. Das volle Programm. Und das an einem Wochenende. Zu unserer Freude half die Intensivbehandlung dem Kleinen wieder auf die kurzen Beine. Wir feierten seine Rückkehr vier Tage später mit Hundekuchen für Oski und Haselnussplätzchen für uns. Auch ich freute mich, den kleinen Kerl wieder bei uns zu haben. Bis Christine mir den Preis für die Behandlung nannte: 750 Dollar! Für einen kurzen Moment fürchtete ich, selbst eine Intensivstation zu brauchen.
Drei Monate später bin ich auf einer Reportagereise im Norden. Christine ruft mich an, schluchzend: »Oski ist tot.« Sie habe den Hund vor der Tür unseres Sheds gefunden. Zwei kleine Punkte an der Schnauze schließen jeden Zweifel aus: Er hatte wieder eine Schlange gestört. Offenbar konnte er sich noch nach Hause schleppen, um vor der Tür zusammenzubrechen und zu sterben. Christine ist außer sich. Und auch ich vergieße an diesem Tag eine kleine Träne. So ein Tier wächst einem ans Herz. Als ich unserer Tierärztin Chloe später davon erzähle, reagiert sie gelassen. »Ich habe noch nie einen Jack-Russell erlebt, der im Busch lebt und älter als zwei Jahre geworden ist.«
Oskis Todestag war der Tag, an dem ich mir schwor, dass uns so etwas nicht noch einmal passieren sollte. Ich habe einen Plan. Ein paar Wochen später holen wir unseren kleinen Max vom Züchter ab. Er kostet nicht wenig, kommt aber komplett mit Reinrasse-Zertifikat. Sein Vater sei ein Edel-Schäferhund mit Adelstitel, heißt es darauf, »direkt importiert aus Deutschland«. Bei einem solchen Stammbaum muss er ja gescheit sein. Die Angst, auch diesen Hund an eine Schlange zu verlieren, begleitet mich trotzdem. Bis zu diesem Samstagnachmittag. Ich will Max die Lust auf Schlangen ein für alle Mal verderben.
Mick hat auf seinem Grundstück eine Braunschlange erschlagen und stellt mir das tote Tier für mein »Projekt« zur Verfügung. Ich binde eine fünf Meter lange Schnur an den Kopf des inzwischen von der Totenstarre steifen Reptils. Dann gehe ich in die Küche. Aus dem Eisschrank hole ich jede Chilisauce, die ich nur finden kann: indonesische Sambal Olek, vietnamesische Sriracha. »Extra hot«, heißt es auf der Plastikflasche, sehr scharf. Mit einem Pinsel streiche ich die Chilisaucen auf die Schlange. »You have to be cruel to be kind«, sagt Mick, der mich interessiert beobachtet. Man müsse hart sein, um auch freundlich sein zu können. Hoffentlich denkt er nicht, ich würde auch Samuel und David auf diese Art und Weise abhärten.
»Max«, rufe ich, »Maxi, komm mal her.« Der kleine Hund watschelt auf seinen riesigen Pfoten direkt auf die Schlange zu. Mehr sagen muss ich nicht. Ich ziehe an der Schnur, das Reptil »schleicht« langsam in meine Richtung. Max soll glauben, das Tier lebe. Und er soll es angreifen. Doch der Hund zeigt wenig Interesse. Gelangweilt beginnt er, an der Schlange zu schnüffeln. Dann leckt er sie ab. Ich habe einen Eimer mit Wasser bereitgestellt, um ihm das Leid wenigstens etwas lindern zu können. Doch statt in ein Gejaule auszubrechen, schlürft Max in aller Ruhe und mit großem Genuss die Chilisauce von der Schlange. Er zeigt nicht einmal ansatzmäßig Symptome von Schmerz oder auch nur vom geringsten Brennen im Maul. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, Chilisauce wird sein Leibgericht, und die Schlange wolle er auch gleich noch aufessen. Mick, eine Dose Bier in der Hand, krümmt sich vor Lachen: »Offenbar ist nicht jeder Deutsche ein Einstein.« Okay, dieser Versuch ist gründlich in die Hose gegangen. Unser Glück aber ist, dass Max trotzdem Angst vor Schlangen hat.
Für unsere Kinder ist Max einer ihrer besten Freunde. Selbst wenn man nur fünfzehn Minuten Autofahrt außerhalb der Stadt lebt, im Busch, ist es für Schulkameraden nicht immer einfach, mal schnell zu uns zu kommen, zum Spielen oder um gemeinsam Hausaufgaben zu machen.
Die Wahl unserer High School scheint die richtige gewesen zu sein. Beide Jungs entwickeln sich sehr gut. Sie gehören unter den über 900 Schülern zu den besten. Samuel ist in einer Sonderklasse für besonders engagierte und interessierte Kinder, wo die Schüler wesentlich härter gefordert werden als in einer normalen Klasse. Zu meinem Erstaunen interessieren sich beide Jungs für Naturwissenschaften. Für mich waren Fächer wie Chemie und Physik immer der pure Alptraum. Auch
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