Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Millionen Dollar in den Thinktank. Das Institut ist nur eines von vielen solcher Körperschaften in Australien, die von der Industrie zumindest teilweise finanziert werden.
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Ein versehentliches Drehen des Knopfes am Autoradio, und in mir steigt einmal mehr die Wut hoch. »Wann sehen diese inkompetenten Politiker endlich ein, dass Klimawandel nichts anderes ist als eine Erfindung der Grünen und Kommunisten?«, wettert Ray Hadley durch den Lautsprecher. Er ist einer jener vielen »Shock Jocks«, die beim australischen Privatradio ihre enormen Gehälter damit verdienen, dass sie aggressiv sind, unflätig und gegen jegliches progressive Denken opponieren. Ein anderer ist Alan Jones, dank der Reichweite seiner Sendung vielleicht einer der mächtigsten Menschen in Australien. Jones wettert gegen Steuern, gegen »linke« Politiker, gegen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und für die freie Wirtschaft. Obwohl er Millionen verdient und im teuersten Viertel des Landes wohnt, direkt hinter dem Opernhaus in Sydney, verkauft sich Jones als »Freund des kleinen Mannes«. Seine Zuhörer kaufen ihm das ab. Dabei wurde schon mehrfach aufgedeckt, dass Jones von jenen Firmen, über die er in seinem Programm – nicht nur in den Werbeblöcken – positiv spricht, »gesponsert« wurde.
Es zeugt für ihr unabhängiges Denken, dass unsere beiden Jungs sich nicht von ihrer Lehrerin beeinflussen lassen. Sie lesen unabhängig Literatur zum Thema Klimawandel und beginnen, sich selbständig ein umfassendes Bild jenes Problems zu machen, unter dem Australien schon heute leidet. Dr. Berta darf derweil zwar keine Informationen verbreiten, die gegen wissenschaftlich bewiesene Erkenntnisse verstoßen, das verbietet das Schulgesetz. Doch es gibt andere, subtilere Methoden, um die Meinung der Kinder zu manipulieren. Samuel zeigt mir einen Testbogen, in dem sie nach den verschiedenen Quellen für die Energieerzeugung fragt. Solar, Wind, Geothermie kommen zwar vor. Auf die Frage, welches die »beste und versorgungssicherste Quelle für unsere Energie in Australien« sei, ist aber nur eine Antwort richtig: Kohle.
KAPITEL 32
»The Greentown Group« wächst rasch. Wir haben inzwischen Lehrer, Akademiker, Hausfrauen, Gärtner und Lastwagenfahrer als Mitglieder. Eine tolle Gruppe, so vielfältig im Denken wie das Land, aber verbunden im Bestreben, eine gute Zukunft aufzubauen, wenn nicht für uns selbst, dann für unsere Kinder. Auch unser Projekt »Greentown Goes Solar« wird immer populärer. Leute, die sich schon alleine aus ideologischen Gründen eigentlich nie einer solchen »grünen« Idee verschreiben würden, installieren sich eine Solaranlage. Sie wurden von den hohen Zuschüssen angelockt, die der Bundesstaat New South Wales jenen zahlt, die sich Solarzellen aufs Dach bauen. Patrick ist jedenfalls zufrieden, trotz der mangelnden Unterstützung durch das Council. Dort macht man weiter Dienst nach Vorschrift. Die meisten Gemeinderäte beäugen uns mit Argwohn. Langsam aber schleicht sich das Bewusstsein ein, dass TGG es ernst meint. Wir haben den Ruf, eine Gruppe zu sein, die nicht nur redet, sondern handelt. Unser Mitglied Rod, ein ehemaliger High-School-Lehrer, hat die Idee, ein am Stadtrand seit 100 Jahren brachliegendes Sumpfland zu renaturieren. Aus einer Grube, aus der die Vorväter Greentowns Lehm für die Herstellung von Backsteinen geschaufelt hatten, soll ein Feuchtgebiet werden, ein Lebensraum für Vögel, Reptilien und andere Tiere. Und ein Naherholungsgebiet für die Bewohner von Greentown. Es ist eine Mammutaufgabe, mindestens zehn Jahre Arbeit liegen vor uns – doch wir geben ihm grünes Licht. Rod, Viola und andere Mitglieder schreiben Anträge an den Staat für Subventionen – eine unglaublich aufwendige Arbeit, Hunderte von Stunden, und das alles auf freiwilliger Basis. Sie suchen die Unterstützung von Firmen, die mit dem Bau der Anlage helfen könnten.
Gleichzeitig versuchen wir, auch auf politischer Ebene das Bewusstsein für nachhaltiges Wachstum zu schärfen in einer Gemeinde, die – ehrlich gesagt – bis vor kurzem nicht mal wusste, wie man das Wort Nachhaltigkeit schreibt. Wir schicken Mitglieder unserer Gruppe in verschiedene Kommissionen des Gemeinderates, um auch dort die öffentliche Debatte in unsere Richtung zu steuern. Und wir scheuen uns nicht, zu kritisieren, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Das ist eher ungewöhnlich für solche »Community Groups«. Als
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