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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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Christine hatte während ihrer Schulzeit wohl nie die Absicht, Chemikerin zu werden. Es ist keine Frage, dass ihre Wissenschaftslehrerin mit ein Grund für das Interesse der Jungs ist. Sie versteht es, ihre Neugierde und ihren Wissensdurst zu wecken, allerdings dämpft die Tatsache, dass Berta eine erklärte Klimaskeptikerin ist, erheblich meinen Enthusiasmus für die Frau.
    Als ich das erste Mal von den Jungs hörte, dass die Lehrerin – immerhin eine Wissenschaftlerin mit Doktortitel – Klimawissenschaft grundsätzlich in Frage stellt, fiel mir der Kiefer runter. Nicht dass Berta damit in der Minderheit wäre: Ich weiß schließlich schon seit Jahren, dass gerade in ländlichen Gegenden Klimaskepsis weit verbreitet ist. Man sollte allerdings denken, dass sich eine intelligente Akademikerin weniger von der öffentlichen Meinung zu diesem Thema beeinflussen lässt als ein Taxifahrer oder Bergbaukumpel.
    Doch leider ist das nicht so. Es gibt – mit Ausnahme der Vereinigten Staaten – wohl kein westliches Land, in dem Klimaskepsis so endemisch ist wie in Australien. Eindeutige, wissenschaftlich bewiesene Veränderungen des weltweiten Klimas, der globalen Erwärmung, werden selbst von Spitzenpolitikern in Frage gestellt oder gar als unglaubwürdig abgeschmettert. Vor allem auf der rechten Seite des politischen Spektrums: Mitte 2013 gaben zwei Drittel der konservativen Parlamentarier an, nicht an Klimawandel zu glauben oder erhebliche Zweifel zu haben.
    Wesentliche Ursache: die »Zweifelindustrie«. Das sind jene offen oder versteckt agierenden Vertreter schadstoffintensiver Industrien – »gekaufte« Wissenschaftler etwa, Journalisten oder Public-Relations-Experten –, die in der Bevölkerung gezielt und systematisch Zweifel zu einem Thema verbreiten. Nirgendwo in der westlichen Welt – wieder mit Ausnahme der Vereinigten Staaten – ist sie seit Jahren so erfolgreich wie in Australien. Früher war die Aufgabe der »Zweifelindustrie«, Zweifel an der Verbindung zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebs zu säen. Heute hat sie den Job, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Klimawissenschaft zu verbreiten oder die Existenz der globalen Erwärmung grundsätzlich in Frage zu stellen. Man muss nicht weit suchen, um jene Industrien zu finden, die ein Interesse daran haben, dass sich die Umweltschutznormen in Australien möglichst nicht verbessern. Zuoberst auf der Liste der Schadstoffproduzenten steht die Rohstoffwirtschaft, allen voran die Kohleindustrie. Da Australien mindestens 75 Prozent seines Stroms mit dem Verbrennen von Kohle produziert, ist Kohle für einen wesentlichen Teil der klimaverändernden Schadstoffe in Australien verantwortlich. Aus diesem Grund ist Australien pro Kopf einer der größten Klimagas-Emittenten der Welt. Doch das ist nur ein Teil des Image-Problems, das dieser wichtige Wirtschaftszweig hat. Als weltgrößter Exporteur von Kohle ist Australien zudem einer der weltgrößten Exporteure von Klimagasen.
    Ein großer Teil des Wohlstandes der Nation ruht somit auf der Ausfuhr eines Produktes, das das Klima der Welt langfristig zerstört und das Überleben der Menschheit existentiell gefährdet.
    Für unsere Gruppe TGG, die nicht zuletzt zum Ziel hat, in Greentown ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen, ist Klimaskepsis eine Wand, gegen die wir fast jeden Tag prallen. »Manchmal verzweifle ich fast an den Argumenten, die mir entgegenschlagen«, klagt Viola. »Und zwar nicht mal hier und mal da, sondern überall.« Denn der Großteil der australischen Medien unterstützt und fördert das Denken, wonach die Effekte von Klimawandel und globaler Erwärmung von Wissenschaftlern übertrieben werden, »damit sie mehr Forschungsgelder erhalten«.
    Ganz oben auf der Liste der »Zweifelindustrie« in Australien steht das »Institute of Public Affairs (IPA)«, ein sogenannter Thinktank, der sich dem Wirtschaftsliberalismus verschrieben hat – strikt und kompromisslos. Freie Marktwirtschaft als oberstes Ziel, möglichst keine staatlichen Beschränkungen oder Vorschriften. IPA-»Experten« sind fast täglich Gäste in Talkshows oder sprechen im Radio. Sauber gekämmt, in schnittigen Anzügen und eloquent, haben sie sich in den letzten Jahren in den australischen Medien eine Nische als »Fachleute« schaffen können. Es ist kein Geheimnis, dass große Bergbauunternehmen und andere umweltbelastende Industrien zu den wichtigsten Sponsoren des IPA gehören. Sie pumpen jedes Jahr

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