Weit wie das Meer
Zeitverschwendung.«
Garrett war verblüfft über die Offenheit seines Vaters. »Nein, Dad, es war keine Zeitverschwendung. Es waren zwei, drei nette Stunden. Sie war so unkompliziert, und ich habe mich gut unterhalten.«
»Aber du siehst sie nicht wieder.«
Garrett trank einen Schluck Kaffee und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Sie macht hier Urlaub.«
»Für wie lange?«
»Ich weiß nicht. Ich habe nicht gefragt.«
»Warum nicht?«
Garrett gab noch etwas Sahne in seinen Kaffee. »Warum interessiert dich das so? Ich bin mit jemandem Segeln gewesen, und es war nett. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.«
»Ich denke doch.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, daß dir dein Rendezvous Lust gemacht hat, wieder unter die Leute zu gehen?«
Garrett rührte in seinem Kaffee. Das war es also. Obwohl er sich mit den Jahren an die väterlichen Verhöre zu diesem Thema gewöhnt hatte, stand ihm heute morgen nicht der Sinn danach, wieder davon anzufangen. »Wir haben das doch schon x-mal besprochen, Dad.«
»Ich weiß, Garrett, aber ich mache mir Sorgen um dich. Du bist in letzter Zeit zu viel allein.«
»Bin ich nicht.«
»Doch«, sagte sein Vater unerwartet sanft, »das bist du.«
»Ich habe keine Lust, mit dir darüber zu streiten, Dad.«
»Ich auch nicht. Ich hab’s getan, und es hat nichts genutzt.« Jeb lächelte. Nach einem kurzen Schweigen nahm er einen erneuten Anlauf.
»Wie ist sie denn. Erzähl doch mal.«
Garrett überlegte.
»Theresa? Sie ist attraktiv und intelligent. Und auf ihre Art charmant.«
»Ist sie Single?«
»Ich glaube schon. Sie ist geschieden und wäre wohl nicht mitgefahren, wenn sie einen festen Partner hätte.«
Jeb musterte das Gesicht seines Sohnes. Dann beugte er sich wieder über den Tisch.
»Sie gefällt dir, oder?«
Garrett sah seinem Vater in die Augen und wußte, daß er ihm nichts vormachen konnte.
»Ja, Dad, das tut sie. Aber wie gesagt, ich sehe sie wohl nicht wieder. Ich weiß nicht, in welchem Hotel sie abgestiegen ist und ob sie nicht vielleicht heute schon abreist.«
»Aber wenn sie noch hier wäre und du wüßtest, wo sie wohnt - würdest du sie dann wiedersehen wollen?«
Schweigend blickte Garrett zur Seite, und Jeb langte über den Tisch und legte die Hand auf den Arm seines Sohns. Selbst mit siebzig hatte er noch einen festen Griff.
»Es ist jetzt drei Jahre her, Garrett. Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast, aber du mußt jetzt loslassen. Das weißt du, oder? Du mußt einfach lernen loszulassen.«
»Ich weiß, Dad«, gab Garrett zurück. »Aber es ist nicht so leicht.«
»Nichts, was uns viel bedeutet, ist leicht. Vergiß das nicht.«
Kurz darauf hatten sie ihr Frühstück beendet. Garrett legte ein paar Dollarnoten auf den Tisch, und sie verließen gemeinsam das Cafe.
Als Garrett schließlich in seinem Laden angelangt war, gingen ihm tausend Dinge durch den Kopf. Außerstande, sich auf die dringend zu erledigende Schreibarbeit zu konzentrieren, beschloß er, zum Hafen zu fahren und die Reparatur am Bootsmotor, die er am Tag zuvor begonnen hatte, zu beenden. Er hatte einfach das Bedürfnis, allein zu sein, und würde später zurückkommen. Die Reparatur des Motors war zeitaufwendig, aber nicht schwierig, und er hatte gestern schon gute Vorarbeit geleistet. Während er die Motorumkleidung entfernte, dachte er über das Gespräch mit seinem Vater nach. Natürlich hatte der alte Jeb recht gehabt. Es gab keinen Grund, weiter an dem Gefühl festzuhalten, wie er es tat, doch er wußte nicht - und Gott war sein Zeuge -, wie er es abstellen sollte. Catherine bedeutete ihm alles. Sie hatte ihn nur ansehen müssen, und schon war ihm, als sei plötzlich alles im Lot. Und wenn sie erst lächelte…
Dieses Lächeln würde er bei keiner anderen wiederfinden. Daß einem so etwas genommen wurde, war einfach nicht fair. Mehr als das, es wirkte so widersinnig. Warum ausgerechnet sie? Und warum er? Wochenlang hatte er nachts wach gelegen und sich gefragt, was gewesen wäre, wenn… Was, wenn sie eine Sekunde gezögert hätte, bevor sie die Straße überquerte? Was, wenn sie sich ein paar Minuten mehr Zeit beim Frühstück gelassen hätten? Was, wenn er sie an jenem Morgen begleitet hätte, statt auf direktem Weg in den Laden zu gehen? Tausend Wenns, die ihn keinen Schritt weitergebracht hatten.
Um diese Gedanken zu verscheuchen, konzentrierte er sich auf seine Arbeit. Er entfernte die Schrauben des Vergasers und zog ihn aus dem Motor. Behutsam begann er
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