Weit wie das Meer
ihn zu zerlegen und prüfte, ob keins der Teile verschlissen war. Er glaubte nicht, daß die Schadensursache hier lag, wollte aber sichergehen.
Obwohl die Sonne noch nicht hoch stand, mußte er sich immer wieder den Schweiß von der Stirn wischen. Gestern um diese Zeit hatte er Theresa den Pier hinunter zur Fortuna gehen sehen. Er hatte sie sofort bemerkt, zumal sie allein war. Frauen wie sie kamen fast nie allein her. Gewöhnlich wurden sie von wohlhabenden älteren Herren begleitet, den Besitzern der Yachten, die zu beiden Seiten des Hafens vor Anker lagen. Als sie vor seinem Boot stehengeblieben war, hatte er sich gewundert, jedoch angenommen, daß sie nur einen Augenblick verweilen und dann zu ihrem endgültigen Ziel weitergehen würde. Das war bei den meisten Leuten der Fall. Bald darauf aber konnte er feststellen, daß sie gekommen war, um seine Fortuna zu sehen, und an der Art, wie sie hin- und herlief, glaubte er zu erkennen, daß sie noch aus einem anderen Grund hier war.
Nachdem seine Neugier geweckt war, hatte er sie angesprochen. Es war ihm nicht gleich aufgefallen, doch später am Abend, als er das Boot vertäut hatte, fragte er sich, warum sie ihn zu Anfang so sonderbar angeschaut hatte.
Fast schien es, als hätte sie etwas an ihm erkannt, das er gewöhnlich tief im Innern verborgen hielt. Und mehr noch, es war, als wisse sie mehr über ihn, als sie zuzugeben bereit war.
Er schüttelte den Kopf, denn er wußte, daß das keinen Sinn ergab. Sie hatte gesagt, sie habe die Artikel im Laden gelesen. Vielleicht deshalb der merkwürdige Blick. So mußte es wohl gewesen sein. Er wußte, er war ihr niemals zuvor begegnet - er hätte sich sonst gewiß erinnert -, und außerdem kam sie aus Boston und machte hier Urlaub. Es war die einzige plausible Erklärung, die ihm einfiel, und trotzdem glaubte er zu spüren, daß irgend etwas an der Sache nicht ganz stimmte.
Nicht daß es wichtig gewesen wäre.
Sie waren zusammen segeln gegangen, hatten sich gut verstanden und dann Abschied genommen. Und das war’s gewesen. Wie er seinem Vater erklärt hatte, konnte er sie nicht erreichen, selbst wenn er’s gewollt hätte. Wahrscheinlich war sie jetzt schon - oder jedenfalls in ein paar Tagen - auf dem Weg zurück nach Boston, und er hatte im Laufe der Woche tausend Dinge zu tun. Im Sommer waren seine Tauchkurse ausgebucht. Er hatte weder die Zeit noch die Nerven, jedes Hotel in Wilmington anzurufen, um sie zu suchen. Und selbst wenn er sie finden würde, was sollte er dann sagen? Was konnte er sagen, das nicht lächerlich klang?
All diese Fragen schwirrten ihm im Kopf herum, während er den Motor reparierte. Nachdem er den defekten Bolzen gefunden und ersetzt hatte, baute er den Vergaser wieder ein. Er warf den Motor an, und da er sich jetzt sehr viel besser anhörte, löste er die Leinen, um eine vierzigminütige Probefahrt zu machen. Er ging alle Geschwindigkeiten durch, stoppte mehrmals den Motor, warf ihn wieder an und kehrte dann beruhigt zum Hafen zurück. Zufrieden, daß ihn die Reparatur weniger Zeit als erwartet gekostet hatte, sammelte er sein Werkzeug ein, verstaute es in seinem Lieferwagen und fuhr zum ›Island Diving‹ zurück.
Auf seinem Schreibtisch stapelten sich verschiedene Papiere, vor allem schon ausgefüllte Auftragsformulare für Artikel, die im Laden benötigt wurden, außerdem diverse Rechnungen. Er nahm Platz und arbeitete den Stapel rasch durch.
Kurz vor elf war das Wichtigste erledigt, und er ging zur Theke am Eingang des Ladens. Ian, einer seiner jungen Angestellten, telefonierte gerade, als Garrett erschien, und händigte ihm drei Mitteilungen aus. Die ersten beiden waren von Großhändlern, die Lieferschwierigkeiten hatten. Noch etwas, um das ich mich kümmern muß, dachte er.
Die dritte las er auf dem Rückweg in sein Büro und hielt abrupt inne, als er bemerkte, von wem sie stammte. Rasch trat er in sein Büro, schloß die Tür und versicherte sich, daß er sich nicht getäuscht hatte. Dann griff er zum Telefon, wählte die Nummer.
Theresa Osborne las gerade die Zeitung, als das Telefon klingelte. Beim zweiten Läuten hob sie ab.
»Hallo, Theresa, hier ist Garrett. Ich lese eben, daß ich Sie zurückrufen soll.«
»Hallo, Garrett.« Sie schien erfreut, seine Stimme zu hören. »Danke für Ihren prompten Rückruf. Wie geht’s Ihnen?«
Beim Klang ihrer Stimme wurde ihm ganz warm ums Herz, und er stellte sich vor, wie sie jetzt in ihrem Hotelzimmer saß. »Mir geht’s bestens.
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