Weit wie das Meer
ihr geholfen«, fuhr Kevin fort, und Theresa verdrehte die Augen. »Fertig, Mom?«
»Jederzeit.« Theresa griff nach Schlüssel und Handtasche.
»Dann los«, rief Kevin und rannte voraus zu Garretts Wagen.
Den ganzen Morgen machte Garrett die beiden mit den Grundelementen des Tauchens vertraut. Er erklärte ihnen wie die Ausrüstung funktioniert, wie man sie anlegt und testet und wie man durch das Mundstück atmet - zunächst am Rand des Schwimmbeckens, dann unter Wasser.
»Das Wichtigste ist das richtige Atmen«, erklärte er. »Weder zu schnell noch zu langsam. Einfach ganz natürlich.«
Theresa, die nichts Natürliches daran finden konnte, hatte weit mehr Probleme damit als Kevin. Ihr abenteuerlustiger Sohn glaubte nach ein paar Minuten unter Wasser, er wisse bereits alles, was es zu wissen gab.
»Ist ja ganz einfach«, sagte er zu Garrett. »Ich denke, ich kann heute nachmittag schon im Meer tauchen.«
»Du könntest es bestimmt, aber wir müssen die Stunden trotzdem in der vorgeschriebenen Reihenfolge abhalten.«
»Und Mom? Schafft sie’s auch?«
»Selbstverständlich.«
»So gut wie ich?«
»Ihr seid beide phantastisch«, sagte er, und Kevin verschwand schon wieder unter Wasser, als Theresa gerade auftauchte und ihr Mundstück herauszog.
»Es ist irgendwie komisch, wenn ich atme.«
»Du machst das schon sehr gut. Du mußt nur ganz normal und entspannt atmen.«
»Ich frage mich, ob mit der Flasche irgendwas nicht stimmt.«
»Die Flasche ist in Ordnung. Ich habe sie heute morgen zweimal geprüft.«
»Bist du nun derjenige, der damit taucht, oder ich?«
»Soll ich’s ausprobieren?«
»Nein«, murmelte sie leicht frustriert, »ich komm schon klar.« Damit tauchte sie wieder ab.
»Ist Mom okay?« fragte Kevin bei nächster Gelegenheit.
»Doch, doch. Sie übt, genauso wie du.«
»Dann ist es ja gut. Es wäre mir nämlich echt peinlich, wenn ich meinen Schein kriege und sie nicht.«
Nach mehreren Stunden im Wasser waren Theresa und Kevin erschöpft. Sie gingen zusammen zum Essen, und Garrett erzählte Kevin von seinen Taucherlebnissen. Kevin lauschte gebannt und stellte tausend Fragen, die Garrett geduldig beantwortete. Und Theresa war überglücklich, daß sich die beiden so gut verstanden.
Nach dem Essen nahm Garrett Mutter und Sohn mit zu sich nach Hause. Kevin hatte geplant, sofort mit der zweiten Lektion zu beginnen, als er aber den Strand und das Meer sah, änderte er seine Pläne.
»Darf ich ans Wasser, Mom?« fragte er.
»Ich glaube, es genügt für heute. Wir haben den halben Tag im Schwimmbad verbracht.«
»Ach, Mom… Bitte! Du brauchst ja nicht mitzukommen. Du kannst mir von der Veranda aus zusehen.«
Theresa zögerte, und Kevin wußte, daß er gewonnen hatte. »Bitte«, sagte er noch einmal mit einem unwiderstehlichen Lächeln.
»Also gut, aber geh nicht zu tief ins Wasser.«
»Versprochen«, rief er aufgeregt, schnappte das Badetuch, das Garrett ihm hinhielt, und rannte schon los. Garrett und Theresa saßen auf der Veranda und schauten ihm zu.
»Schon ein richtiger junger Mann«, sagte Garrett.
»Ja, das ist er«, stimmte sie zu. »Und ich glaube, er mag dich. Er hat mir vorhin ins Ohr flüstert, er fände dich cool.«
»Das freut mich«, lächelte Garrett. »Ich mag ihn auch. Außerdem ist er einer der besten Schüler, die ich je hatte.«
»Das sagst du nur, um seiner Mutter zu schmeicheln.«
»Nein, ganz im Ernst - ich habe viele Kids in meinen Kursen und finde Kevin besonders reif und vernünftig für sein Alter. Zudem ist er nicht so verwöhnt wie viele Kinder heutzutage.«
»Danke.«
»Ich meine es ernst, Theresa. Nachdem du mir von deinen Bedenken erzählt hattest, wußte ich nicht, was ich zu erwarten hatte. Aber er ist wirklich ein netter Kerl. Kompliment für deine Erziehungskünste.«
Sie nahm seine Hand und küßte sie.
»Es tut gut, so was zu hören. Die wenigsten Männer, denen ich begegnet bin, wollten sich mit ihm beschäftigen.«
»Ihr Pech.«
Sie lächelte. »Wie kommt es, daß du immer die Antwort weißt, die mir wohltut?«
»Vielleicht weil du das Beste in mir zum Vorschein bringst.«
»Vielleicht.«
* * *
Am Abend nahm Garrett Kevin mit in den nächsten Video-Shop, um zwei Filme für ihn auszuleihen, und bestellte Pizza für alle drei. Während sie aßen, schauten sie sich gemeinsam den ersten Film an. Danach wurde Kevin schläfrig, und gegen neun war er vor dem Fernseher eingeschlummert. Theresa stieß ihn leise an und sagte,
Weitere Kostenlose Bücher