Weit wie das Meer
er nervös am Ausgang.
In den beiden Wochen ihrer Trennung waren seine Gefühle für Theresa noch gewachsen. Er wußte jetzt, daß das, was sie verband, nicht nur körperliche Anziehungskraft, sondern etwas viel Tieferes, etwas viel Beständigeres war. Doch während er jetzt nach den beiden Ausschau hielt, überkam ihn plötzlich ein Gefühl von Panik.
Aber als er Theresa schließlich mit Kevin an ihrer Seite aus dem Flugzeug steigen sah, fiel alle Bangigkeit von ihm ab. Sie war noch hübscher, als er sie in Erinnerung hatte, und Kevin sah ihr sehr ähnlich. Er war etwas größer als ein Meter fünfzig, hatte Theresas dunkle Haare und Augen, war aber noch etwas staksig, als wären Arme und Beine schneller gewachsen als der Rest. Kevin trug lange, weite Bermudashorts, Nike-Schuhe und ein T-Shirt von einem Konzert der Backstreet Boys. Die Wahl seiner Kleidung war eindeutig von MTV beeinflußt, und Garrett hatte Mühe, sich ein Lächeln zu verkneifen. Boston oder Wilmington… Was spielte das schon für eine Rolle? Kids waren eben Kids.
Als Theresa ihn erblickte, winkte sie ihm zu, und er ging ihnen entgegen. Er zögerte, ob er sie vor Kevins Augen küssen sollte, doch dann drückte ihm Theresa einen Kuß auf jede Wange.
»Garrett, das ist mein Sohn Kevin«, sagte sie stolz.
»Hallo, Kevin.«
»Guten Tag, Mr. Blake«, erwiderte Kevin etwas steif, als hätte er einen Lehrer vor sich.
Garrett streckte ihm die Hand entgegen. »Du kannst ruhig Garrett sagen. Wie war der Flug?«
»Gut«, antwortete Theresa.
»Habt ihr etwas zu essen bekommen?«
»Noch nicht.«
»Wie wär’s mit einem kleinen Imbiß, bevor ich euch zum Hotel fahre?«
»Keine schlechte Idee.«
»Hast du einen besonderen Wunsch, Kevin?« fragte Garrett.
»Am liebsten McDonald’s.«
»Oh, bitte, Kevin…« sagte Theresa, doch Garrett unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.
»Ich habe nichts gegen McDonald’s einzuwenden.«
»Bist du sicher?« fragte Theresa.
»Ich esse fast jeden zweiten Tag dort«, lachte Garrett.
Kevin war begeistert, und als sie das Flughafengebäude verließen, fragte Garrett:
»Bist du ein guter Schwimmer, Kevin?«
»Ja, ganz gut.«
»Fühlst du dich fit für ein paar Tauchstunden dieses Wochenende?«
»Ich denke, ja«, sagte Kevin und versuchte möglichst erwachsen zu klingen. »Ich habe mich schon informiert.«
»Wunderbar. Wenn wir Glück haben, kannst du vielleicht sogar den Grundtauchschein machen.«
»Was ist das?«
»Damit darf man tauchen, wo man will - vergleichbar mit einem Führerschein.«
»Und den kann man in ein paar Tagen bekommen?«
»Na klar. Du mußt einen schriftlichen Test machen und eine bestimmte Anzahl an Stunden mit einem Lehrer im Wasser sein. Aber da du an diesem Wochenende mein einziger Schüler bist - falls deine Mutter nicht mitmacht -, haben wir mehr als genug Zeit.«
»Cool«, sagte Kevin und sah seine Mutter fragend an. »Machst du mit, Mom?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Bitte, Mom, dann macht’s noch mehr Spaß.«
»Er hat recht - du solltest es auch versuchen«, sagte Garrett mit einem verschmitzten Lächeln, denn er wußte, daß sie am Ende nachgeben würde.
»Okay«, sagte sie und verdrehte die Augen. »Aber wenn ich Haie sehe, ergreife ich sofort die Flucht.«
»Gibt es hier Haie?« fragte Kevin erschrocken.
»Ja, aber nur ganz kleine; sie greifen den Menschen nicht an.«
»Wie klein?« fragte Theresa, die sich an Garretts Begegnung mit dem Hammerhai erinnerte.
»So klein, daß man nichts von ihnen zu befürchten hat.«
»Cool«, sagte Kevin.
Theresa sah Garrett an und fragte sich, ob er die Wahrheit sagte.
Nach dem Imbiß bei McDonald’s fuhr Garrett die beiden zu ihrem Hotel. Als das Gepäck hineingebracht war, ging Garrett noch einmal zum Wagen und kam mit einem Buch und ein paar Papieren zurück.
»Das ist für dich, Kevin.«
»Und was ist das?«
»Das Lehrbuch und die Fragebögen, die du für deinen Tauchschein durcharbeiten mußt. Keine Angst, es sieht umfangreicher aus, als es ist. Aber wenn wir morgen anfangen wollen, mußt du die erste Lektion gelesen und den ersten Fragebogen ausgefüllt haben.«
»Ist es schwer?«
»Nein, es ist ziemlich einfach, aber gelernt werden muß es trotzdem. Du kannst übrigens das Buch zu Hilfe nehmen, wenn du bei manchen Antworten unsicher bist.«
»Du meinst, ich kann die Antworten nachschlagen, während ich den Test mache?«
Garrett nickte. »Das Wichtige ist, daß du lernst, was du wissen mußt.
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