Weiter weg
entgegen und gab ihr einen Moment später den Kern zurück. Sie kurbelte ihr Fenster herunter und warf den Kern in den Wind, der plötzlich von einem Geruch nach Tornados erfüllt war. Was eben noch ausgesehen hatte wie Dieselabgase, breitete sich rasant über den Himmel im Süden aus. Um sich greifende Dunkelheit um drei Uhr am Nachmittag. Und unaufhörlich ging es hinunter, immer steiler, die Maisquasten wogten hin und her, und alles war mit einem Schlag grün – Himmel grün, Straßenbelag grün, Eltern grün.
Mein Vater schaltete das Radio ein und suchte zwischen krachenden Störungen nach einem Sender. Ihm war wieder eingefallen – vielleicht hatte er es auch nie vergessen –, dass in diesen Sekunden noch etwas anderes runterging. Rauschen auf Rauschen auf Rauschen, irrwitzige Angriffe auf die Unversehrtheit des akustischen Signals, aber dennoch konnten wir Männer mit texanischem Akzent immer geringere Höhen melden hören, bis sie bei null angelangt waren. Dann traf mit dem gewaltigen Zischen einer Fritteuse eine Regenwand auf unsere Windschutzscheibe. Überall Blitze. Weiteres Rauschen zerschlug die texanischen Stimmen, der Regen auf unserem Dach war lauter als der Donner, der Wagen flatterte in den von der Seite kommenden Böen.
«Earl, vielleicht solltest du besser an den Rand fahren», sagte meine Mutter. «Earl?»
Er war gerade am Meilenstein 2 vorbeigefahren, und die texanischen Stimmen wurden fester, als hätten sie begriffen, dass die atmosphärischen Störungen ihnen nichts anhaben konnten: dass sie es schaffen würden. Und tatsächlich fingen die Scheibenwischer bereits an zu quietschen, die Straße trocknete, die schwarzen Wolken zerteilten sich in harmlose Fetzen. «Der Eagle ist gelandet», ließ sich das Radio vernehmen. Wir hatten die Staatsgrenze überquert. Wir waren wieder zu Hause auf dem Mond.
(Übersetzt von Bettina Abarbanell)
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Das Ende des Rausches
Über Der Spieler von Fjodor M. Dostojewski
Wer nur aus Fleisch und blankliegenden Nerven besteht, existiert außerhalb der Zeit und – für einen Augenblick – außerhalb jedweder Geschichte. Der Cracksüchtige, der seit sechzig Stunden immer wieder den Lustknopf drückt, der Vertreter, der Frühstück, Mittagessen und Abendessen wie festgenagelt vor einem Videopoker-Terminal verzehrt hat, die Frustesserin, die ein Kilo Schokoladeneis verdrückt, der Student, der seit gestern Abend um acht mit heruntergelassener Hose auf Internetfotos stiert, der schwule Clubsurfer, der mit Unterstützung von Viagra- und Crystal-Meth-Cocktails ein langes Wochenende verbringt – sie alle werden einem (sofern man ihre Aufmerksamkeit erlangen kann) versichern, dass nichts wirklich ist außer dem Gehirn und seinen Stimulanzien. Für einen Menschen, der sich zwanghaft selbst stimuliert, sind die großen Erzählungen von Errettung und Transzendierung und die winzig kleinen alltäglichen Geschichten von «Ich hasse meinen Nachbarn» oder «Es wäre doch schön, mal nach Spanien zu fahren» gleichermaßen illusorisch und bedeutungslos. Dieser tiefe Nihilismus des Körpers ist natürlich ein Problem für die drei kleinen Kinder des Cracksüchtigen, den Arbeitgeber des Vertreters, den Mann der Eisesserin, die Freundin des Studenten und den Virologen des Clubsurfers. Aber derjenige, dessen Identität dieser sklavische Materialismus bedroht, ist der Schriftsteller, dessen ganzes Leben und Arbeiten darauf ausgerichtet sind, an das Erzählen zu glauben.
Kein Romanautor hat je so schwer und intelligent mit dem Materialismus gerungen wie Dostojewski. Als sein kurzer Roman Der Spieler 1866 veröffentlicht wurde, waren Wissenschaft, Technik und die politischen Folgen der Aufklärung dabei, die stabilisierenden alten Darstellungen über Religion und eine gottgewollte Gesellschaftsordnung zu demontieren; es wurde der Weg bereitet für den brutalen Materialismus der Kommunisten (der in Russland, China und anderswo Millionen Tote fordern sollte) und das von moralischen Schranken befreite Streben nach persönlichem Genuss (das mit seiner Konsumorientiertheit im Westen zu subtileren Verfallserscheinungen und Verdüsterungen des Gemüts führte). Dostojewskis reife Romane lassen sich als Kampagnen gegen beide Arten von Materialismus lesen, in denen er eine Gefahr nicht nur für sein wodkagetränktes, politisch maßloses Vaterland, sondern auch für sein eigenes Wohlbefinden sah. Sein maßloser Idealismus, für den er mit fünf Jahren
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