Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Sarah sich an das Ende des Weges, schabte mit den Schuhen im Staub und beobachtete die Ameisen, die unermüdlich hin und her liefen. Sie folgte ihren Fortschritten mit den Blicken und verglich sie mit sich selbst, Anthony und Jeremy, wobei sie sich fragte, wer eigentlich wen verfolgte. Das trockene Gras raschelte. Anthony. Er gehörte zur Landschaft von Wangallon wie die hohen Bäume am Flussufer, er erinnerte sie an ihre Jugend, an Cameron. Es war ihr erfolgreich gelungen, die Vergangenheit ruhen zu lassen, doch auf einmal war alles wieder anders und Bilder von ihrer gemeinsamen Zeit kamen zu ihr zurück: der Abend an den Ställen, ihre Ausritte, das Schwimmen im Fluss. Und mit diesen Erinnerungen kamen auch die Gedanken an Cameron. Sarah begann, leise zu schluchzen.
Sie wischte sich die Augen ab und rieb sich mit dem Ärmel über die Nase. Was tat sie nur? Wollte sie sich wirklich auf Anthony einlassen? Sie wusste doch gar nicht, wie sie wirklich für ihn empfand, und sie war sich im Klaren darüber, wie schwierig es sein würde, nach Wangallon zurückzukehren. Und wenn Anthony nun doch weggehen würde? Was würde dann aus Wangallon werden? Schniefend wischte Sarah sich die Wangen ab. Sie benahm sich wie eine melodramatische Närrin. Bei Jeremy wusste sie zumindest, wo sie stand. Und er konnte ihr nicht das Herz brechen, nicht wie ihr Bruder und nicht wie Anthony, wenn sie ihn zu nah an sich heranließ. Noch einen Verlust könnte sie nämlich nicht ertragen.
An jenem Abend wählte Sarah Jeremys Nummer, während ihr Großvater unter der Dusche stand. » Jeremy, ich bin es«, sagte sie, als der Anrufbeantworter ansprang. Sie konnte sich vorstellen, wie er auf seinem schicken weißen Sofa saß und nicht ans Telefon ging.
» Ich wollte nur sagen, dass es mir leidtut. Ich habe ein einziges Chaos angerichtet. Auf jeden Fall habe ich Großvater versprochen, mit ihm morgen zum Picknickrennen zu fahren, und deshalb bin ich ja auch hier. Morgen übernachte ich im The Overlander Motel, wenn du mich erreichen musst. Danke. Tschüss.«
» Dieser verdammte Jockey. Er ist in etwa so nützlich wie Titten an einem Bullen. Entschuldigung, Mädchen.«
» Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Großvater. Du hast wahrscheinlich recht.« Sie lächelten sich an und zerrissen den dritten Wettschein in Folge. Hinter ihnen trotteten die Pferde auf den eingezäunten Platz, und diejenigen, die gewonnen hatten, wurden vom Jubel der Zuschauer und ihrer Besitzer in Empfang genommen.
» Pech gehabt, Angus«, rief ein Mann mit jovialem Gesicht.
» Hmm. Blöde Buchmacher.«
Staub wirbelte über die Rennstrecke, und die Frauen hielten erschreckt ihre Hüte fest, als sie mit ihren Partnern die Zuschauerränge verließen. Auch Sarah und ihr Großvater zogen sich in ihren Wagen zurück, der mit der Schnauze am Geländer stand. Dort konnten sie unbehelligt von Staub und Wind ihren gekühlten Weißwein trinken und das mitgebrachte Picknick verzehren.
Die meisten Leute verließen die Sicherheit ihrer Autos nur, um ihre Wetten zu platzieren und das Rennen aus der Nähe anzuschauen. Es war ein langer Tag gewesen, und die Besucher wirkten beinahe erschöpfter als die Rennpferde. Die Veranstaltung war kein Erfolg. Es waren weniger Besucher da als im Jahr zuvor, und die Stimmung war gedrückt.
Angus schenkte sich Kaffee aus einer Thermosflasche in seinen Becher. Seine Hand zitterte ein wenig. Er trank langsam, tief in Gedanken versunken. Noch war er stark genug, um ein paar Jahre weiterzumachen, aber er musste jetzt schon daran denken, Wangallons Zukunft festzuschreiben. Seine Familie, die spirituellen Hüter von Wangallon, verließen sich darauf, dass das Land geschützt blieb. Es war Vorsehung gewesen, dass das Picknickrennen einen guten Vorwand geliefert hatte, um das Mädchen so bald schon wieder aus Sydney hierherzuholen. Der Zeitpunkt war perfekt, wenn man Matt Leachs interessante Informationen bedachte.
» Du musst dich langsam mal entscheiden, Sarah, wo du sein möchtest. Hier im Busch oder in der Stadt.«
Sarah warf ihm einen Blick von der Seite zu. Angus beobachtete die Reiter in ihren bunten Trikots, die sich auf der Bahn zum nächsten Rennen aufstellten. Der Name jedes einzelnen Pferds wurde über Lautsprecher bekannt gegeben, als sie in die Startboxen traten.
» Mädchen, ich kenne dich besser als deine Eltern, besser als Anthony.«
» Ich bin sicher, dass der Graue dieses Rennen gewinnt, Großvater.«
» Hör mir zu, Sarah, lenk
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