Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
zu löste ihr Großvater sie ab, aber sie merkte ihm deutlich an, wie erschöpft auch er war. Gerade überlegte sie, unter welchem Vorwand sie ihn nach Hause locken sollte, als Anthony sich an ihn wandte.
» Angus, in einer Stunde sind wir fertig. Ich komme hier gut zurecht, wenn du vielleicht die Jungs zur Farm fahren könntest?« Er wies auf die beiden Cowboys, die ihre Aufgabe bereits erledigt hatten. » Sie sind völlig fertig, weißt du«, erklärte Anthony besorgt. » Ich möchte nicht, dass sie zu große Aversionen gegen den Busch entwickeln.«
» Gute Idee«, stimmte Sarah zu. » Ich fahre zur Farm.«
» Nein, Sarah, du musst hierbleiben und Anthony helfen.«
Sarah widersprach nicht. Sie war müde und hungrig, aber irgendwie glaubte sie nicht, dass es viel nützen würde, wenn sie sich beklagte. » Ich bin nicht mehr an körperliche Arbeit gewöhnt. Wahrscheinlich fehlt mir die Kondition.«
Ihr Großvater warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
Als Angus zu seinem Wagen ging, drückte sich Shrapnel eng an sein rechtes Bein. Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte andächtig. Er kannte jeden Vogelruf, jeden Nistplatz, wusste, wann sich das Wetter änderte, wo ein Fuchs seinen Bau hatte oder Wildschweine sich bei Tag aufhielten, und als er noch jünger war, kam er so dicht an ein Känguru heran, dass er sich das Junge in ihrem Beutel anschauen konnte. Und er wusste auch, dass Sarah gerade ihre Meinung änderte. Oh, sicher, er wusste von Colins Benehmen, von der Szene auf dem Parkplatz. Ein Mann brauchte schließlich jemanden, der ihm berichtete, was um ihn herum vorging. Was er jedoch nicht wusste, war, warum sie sich gestritten hatten. Ein Streit zwischen Liebenden? Nein. Er schüttelte den Kopf. Nun ja, man konnte ein Pferd ans Wasser führen, pflegte er immer zu sagen, aber man konnte es nicht zwingen zu trinken. Diese Situation konnte er nicht kontrollieren, trotz aller Planungen und obwohl er Anthony sorgfältig ausgesucht hatte. Natürlich konnte er junge Leute nicht dazu bringen, sich ineinander zu verlieben, aber sie hatten sich immer so gut verstanden. Mist! Vielleicht hätte er die Methoden seines Vaters anwenden sollen, um diesen Jeremy endlich loszuwerden.
» Du hast Glück, Kumpel«, sagte er und tätschelte Shrapnel rau über den Kopf. » Ein Mann braucht vernünftige Leute um sich.«
Shrapnel wedelte mit dem Schwanz.
Als es dämmerte, waren Kühe und Kälber wieder vereint, und sie hatten das Gatter geöffnet, damit sie in die Kühle der Nacht entfliehen konnten. Sarah lehnte am Holzzaun des Hofes. Im Stahleimer vor ihr lagen Ohrmarker und ein Taschenmesser in blutigem Desinfektionsmittel. Sie nahm die Geräte heraus und goss den Inhalt des Eimers auf das immer noch glühende Feuer für das Brandeisen. Anthony überprüfte die Rinder, die für den Transport bestimmt waren, und band die restlichen Hunde hinten auf seinem Geländewagen an.
Einer der Hunde stupste Sarah mit der Schnauze an, und sie bückte sich, um das staubige Fell des Tieres zu kraulen. Plötzlich wurde es dunkel, und Lärm und Getriebe des Tages waren auf einmal vorbei. Sie fröstelte in ihrem dünnen T-Shirt, und zum ersten Mal fühlte sie sich fremd in diesem Land, als ob es sie nicht wollte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Irgendetwas hier draußen wusste, dass sie einen Teil von Wangallon verkaufen wollte. Sarah spürte es in ihren Knochen.
» Sarah, ich möchte mit dir über…« Anthony kam zu ihr.
Sarah wischte den Eimer aus. Den ganzen Nachmittag hatte sie neben ihm gearbeitet und nicht nachgedacht. Wenn doch endlich die Trucks kämen, damit sie hier weg könnte. » Es gibt nichts zu reden, wirklich nicht.« Sie wischte sich die Hände an der Jeans ab. » Ich bin froh, dass wir noch zusammen arbeiten können.« Sie trat an den Geländewagen und zog den Wasserkanister zu sich heran. Familienstreitigkeiten hin oder her, Wangallon brauchte einen guten Verwalter.
» Warte, ich helfe dir.«
Seine Finger berührten ihre, als er den Kanister anhob, und er blickte sie an. Sarah legte ihre Hände zusammen und wartete darauf, dass er Wasser darübergoss. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und wusch sich den Schmutz des Tages ab. Dann trank sie durstig. Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück. Anthony starrte sie an. Sarah wischte sich das Wasser vom Gesicht und ging um den Wagen herum. Sie öffnete die Fahrertür.
» Ich möchte mit dir reden, Sarah, verdammt noch mal, können
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