Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
jetzt noch nicht, wir müssen alle essen. Warte, bis wir von unserer Reise zurück sind, dann suchen wir uns eine größere gemeinsame Wohnung.«
» Mit einer Dunkelkammer«, fügte Sarah hinzu.
» Sarah, du solltest nach Wangallon fahren und es Angus persönlich sagen.« Ronald wollte ihr nicht die Freude verderben, aber Sarah war es ihrem Großvater schuldig, es ihm persönlich mitzuteilen.
Sarah blickte ihren Vater an. Er wirkte natürlich noch nicht so alt wie ihr Großvater, aber schon jetzt war er ein alter Mann– eher in emotionaler als in körperlicher Hinsicht, dachte Sarah. Er könnte diesem mentalen Alterungsprozess Einhalt gebieten, wenn er wollte, aber er hatte wohl nicht mehr die Kraft dazu.
» Warum kannst du ihn nicht einfach anrufen?«, fragte Jeremy. Er wollte nicht, dass sie dort hinfuhr. Vater und Tochter wechselten einen wissenden Blick, und er kam sich auf einmal ausgeschlossen vor.
» Ich fahre morgen früh, Dad.« Sie blickte auf den prachtvollen Ring an ihrem Finger. » Kann ich noch schnell Shelley und Kate anrufen, bevor wir zum Essen fahren? Sie werden begeistert sein.«
» Zwei Brautjungfern!« Sue klatschte entzückt in die Hände. » Wie wundervoll!«
Winter, 1987
Wangallon Station
Das Radio knisterte laut, als der Toyota über die Staubpiste rumpelte. » Zwei Drittel des Bundesstaates sind zum Dürregebiet erklärt worden«. Zwischen Sarah und Angus hockte Shrapnel und versuchte, seine Schnauze auf das Armaturenbrett zu legen. Als ihm das nicht gelang, knurrte er verärgert und legte seinen Kopf wieder auf Angus’ Oberschenkel. Durch das geschlossene Fenster des Autos sah Sarah, wie der Wind die trockene Erde aufwirbelte und sie kilometerweit forttrug. Sie war am Abend zuvor um zehn mit dem Bus aus Brisbane angekommen und hatte während der Fahrt die Zeitungsberichte über die rote Staubglocke gelesen, die über Sydney lag. Auch hier legte sich der Staub aus Australiens roter Mitte über ihr Auto und trübte ihnen die Sicht.
Ihr Großvater schaltete einen Gang herunter, als sie sich einer Viehrampe näherten. Sie wusste, dass er nicht mit einer negativen Antwort rechnete, und sie spürte den prüfenden Blick aus seinen dunkelblauen Augen.
» Hast du ein Problem, Mädchen?«
Sarah schüttelte den Kopf und streichelte leicht über ihren nackten Ringfinger. Es war ihr leichter erschienen, den Ring abzuziehen, bis sie bereit war, ihm die Neuigkeiten mitzuteilen.
Vier Pferde standen bewegungslos unter einer Gruppe von Schwarzeichen, als Angus neben zwei Geländewagen hielt. Die Tiere kauten vor sich hin. Ein Stück weiter lagen mehrere Sättel. Zwei Motorräder und drei Pferdetransporter waren weiter weg geparkt, während ein Helikopter dem Ganzen die Atmosphäre einer Verkaufsschau verlieh. Sie traten zu den Männern, die unter einem Baum im Schatten lagerten. Es roch nach Pferden und menschlichem Schweiß. Der Wind wehte Sarah Staub und kleine Steinchen ins Gesicht, und sie kniff die Augen zusammen. Anthony, in schmutzigen Jeans und einem verblichenen grünen Hemd, sprang auf, als sie näher traten, und schüttelte Angus die Hand. In ihre Richtung nickte er nur und tippte sich flüchtig an die Hutkrempe. Sarah erwiderte seinen Gruß kaum, sondern starrte Colin an, der bei den anderen Männern saß. Sie war dankbar dafür, dass die sechs Viehtreiber auch sie fröhlich begrüßten, als sie Angus die Hand schüttelten.
» Jungs«, begrüßte Angus einen nach dem anderen. » Na, Mick, wie läuft es?«
» Gut. Einige Rinder waren schwach, aber ansonsten gesund«, antwortete Mick. » Den angriffslustigen Bullen, der letztens auf Sie losgegangen ist, Mr Gordon, konnte ich nicht mehr finden.« Mick häufte frischen Tabak auf ein Papierchen und drehte sich eine Zigarette. Seine Finger hinterließen Schmutzspuren auf dem dünnen weißen Papier. Er zündete die Selbstgedrehte an und nahm einen tiefen Zug. » Ist wahrscheinlich tot. Er hatte sowieso kein Gramm Fett zu viel, und dann ist er tot umgefallen. Der blöde Scheißkerl.« Mick brach ab und warf Sarah einen entschuldigenden Blick zu. » Entschuldigung. Das war wirklich ein irres Viech, was, Anthony?«
Anthony nickte. » Wir sind aufgehalten worden, Angus. Viele der Bullen sind in die hinterste Ecke gedrängt worden, und wir konnten nur mit den Pferden arbeiten«, berichtete er. » Glücklicherweise ist der Staubsturm erst vor etwa einer Stunde richtig schlimm geworden.« Er zwang sich, nicht in Sarahs Richtung zu blicken.
Weitere Kostenlose Bücher