Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Lieber, geht es dir nicht gut?«
» Doch, doch, es ist nur… die Erinnerung.« Noch jahrelang nach Roses Tod hatten ihn die furchtbarsten Träume gequält. Es war so, als ob sie ihn jede Nacht heimsuchte, denn oft hörte er auch Schritte vor seiner Zimmertür, und wenn er dann aus dem Bett sprang und nachschaute, war der Flur leer. Es machte ihn immer noch fassungslos, dass eine Frau, seine Frau, durch die Kraft ihres Willens gestorben war. Er hatte von solchen Fällen gehört, aber dabei hatte es sich um trauernde Witwen gehandelt. Seine Frau jedoch, und dann noch aus Liebe zu einem Afghanen? Erneut blickte er auf den Armreif. » Gefällt er dir?«
Claire betrachtete ihn eingehend. Er war sehr hübsch, und nachdem sie ihn ein wenig poliert hatte, hatte sie festgestellt, dass er aus wunderschönem Gold war, aber ob er ihr gefiel? Ein ganz merkwürdiges Gefühl überkam sie.
» Nein, nicht wirklich.« Sie streifte ihn vom Arm und reichte ihn Hamish. Er ergriff ihn wortlos. Er würde ihn in seinem Arbeitszimmer aufbewahren, neben Abdullahs Taschenuhr und der Kette. Vielleicht würde das Rose freuen, dachte er.
» Lee hat die Kontrolle in der Küche übernommen. Die Köchin ist sicher nicht begeistert.« Hamish trank einen Schluck von dem erfrischenden Getränk und tupfte sich den makellosen Schnurrbart mit einem bestickten Taschentuch ab.
» Nun, mein Lieber, ich habe ihm gesagt, dass die Köchin das Dessert machen sollte. Ich hielt es für einen hervorragenden Kompromiss, aber dann verschwand die Köchin, und Lee entdeckte, dass Luke bei seinem letzten Raubzug nicht nur Rosinen, sondern auch Kakaopulver mitgenommen hatte.«
» Beständigkeit ist doch was Feines.« Hamish verzog das Gesicht.
Luke kam um die Ecke des Hauses, ein schmutziges, schreiendes Lumpenbündel unter dem Arm. » Ach, komm schon, Tante Claire. Einen Teil der Schuld nehme ich auf mich, aber nicht alles.«
Es gab genügend Leute, die fanden, dass Luke mit seinen fast fünfundvierzig Jahren und seinen ein Meter fünfundachtzig sich so benahm, als ob ihm die ganze Welt gehörte. Aber das kümmerte ihn nicht. Wenn sie eine Ahnung hätten, wie es auf Wangallon lief, dann würden sie ihre Meinung schnell ändern.
» Ich glaube, das ist dein Jüngster, Vater«, verkündete er und ließ seinen fünf Jahre alten Halbbruder Angus kopfüber an den Knöcheln baumeln. » Er macht schrecklichen Lärm.« Luke stellte den Jungen aufrecht auf die Veranda, und schnell wie der Blitz trat ihn der Kleine vors Schienbein. Luke packte ihn an seinem bereits zerrissenen Hemdkragen, damit er für die elterliche Begutachtung still hielt.
» Du liebe Güte, Angus«, keuchte Claire. » Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
Angus lächelte süß, hob einen schmutzigen Finger und leckte ihn ausgiebig ab. Dann fuhr er sich mit dem Finger über die Wange und steckte ihn erneut in den Mund, als sei es ein Bonbon.
» Kakaopulver«, erklärte Luke.
» Und die Kratzer?«, rief Hamish. Er schwang beide Beine über den Rand seiner Hängematte und setzte sich auf, um seinen Jüngsten zu betrachten.
» Nun…« Angus zögerte.
Hamish stopfte seine Pfeife und warf seinem Sohn einen finsteren Blick zu. » Du bist doch ein Junge, oder?«
» Ja, ja, Vater«, stammelte er.
» Nun, dann rede.« Hamish zog an seiner Pfeife.
Angus überlegte rasch. » Ich habe den Kakao genommen, aber nur, weil Luke das auch gemacht hat.« Selbstbewusst warf er seinem Bruder einen Blick zu. » Die Köchin ist hinter mir hergelaufen und ist sogar hinter mir auf den Baum geklettert, aber ich hatte ihre Katze…«
» Gefesselt«, ergänzte Luke.
» …und die Köchin ist auf den Ast gekrabbelt, und er ist abgebrochen.« Angus riss empört die Augen auf, weil sie ihn bis zu seinem Lieblingsversteck verfolgt hatte.
Hamish verkniff sich das Lachen und beugte sich vor. » Und?«
» Wir sind beide heruntergefallen«, verkündete Angus stolz.
» Ach, du lieber Himmel!«, rief Claire aus. » Was ist mit der Köchin?«
» Unser kleiner Angus hier«, erklärte Luke, » ist auf der Köchin gelandet, die jetzt gerade ihre Koffer packt.«
» Oh, Hamish«, schrie Claire auf, » du musst etwas tun! Bitte!«
» Was ist mit der Katze?«, fragte Hamish. Angus presste die Lippen zusammen. Die Katze war seine Geisel.
» Nun…« Hamish rieb sich das Kinn. » Luke, hol die Katze der Köchin und sag ihr, wenn sie geht, verspeisen wir das Tier zum Abendessen.«
» Hamish!« Claire musste wider Willen
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