Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
früh noch in den Centennial Park und meine neue Linse ausprobieren.«
» Na, denk an uns, wenn du reich und berühmt bist.« Shelley prostete Sarah zu.
» Sollen wir in The Aussie Rules Club gehen?« Shelley griff nach einem Stück Knoblauchbrot. » Da gibt es echtes Smorgasbrod, Mädels.«
» Es geht doch nichts über einen kleinen Augenschmaus«, stimmte Sarah zu.
Kate deutete mit dem Finger auf sie. » Du benimmst dich. Du hast schon einen Mann. Ich liebe es, wenn Jeremy seine adretten College-Klamotten anhat.«
» Aber gucken darf ich doch, oder?«
» Ich dachte, du hättest schon genug zum Gucken gehabt, als du letztens zu Hause warst«, neckte Shelley sie. » Du hast doch erzählt, Anthony sei wegen der Überschwemmung früher zurückgekommen.«
» Sieht er immer noch so gut aus?«, fragte Kate. » Du hast ihn doch schon ein paar Jahre lang nicht mehr gesehen.«
Shelley beugte sich vor. » Du hast uns noch gar nichts davon erzählt.«
Sarah lächelte und trank einen Schluck. Ihr war klar, dass ihre Freundinnen auf eine Antwort warteten.
» Und?«, drängte Shelley.
» Möchten Sie bestellen?«
Ihr üblicher Kellner, ein Mann in den Sechzigern, der die irritierende Angewohnheit hatte, sich geräuschlos an den Tisch anzuschleichen, stand mit einem Bestellblock und gezücktem Kugelschreiber vor ihnen. Sarah wandte ihre Aufmerksamkeit der Speisekarte zu, dankbar für die Ablenkung. Als sie das nächste Mal aufblickte, schauten sie drei Augenpaare erwartungsvoll an. » Entschuldigung, ich habe nicht zugehört.«
Shelley warf ihr einen wissenden Blick zu.
» Nun, da meine Freundinnen sich anscheinend nicht entscheiden können und ich gleich vor Hunger umkomme, nehmen wir…« Kate überflog die Karte. » Spaghetti marinara und Rotwein. Sie wissen schon, diesen italienischen Wein in der grünen Flasche mit dem Korbzeug darum herum.«
» Natürlich.«
Als der Kellner gegangen war, hob Sarah ihr Glas. » Ein Toast auf uns!«
» Auf uns!« Kate und Shelley hoben ebenfalls ihre Gläser.
» Und auf die Männer in unserem Leben«, fuhr Shelley fort. » Wir mögen zwar nicht in der Lage sein, mit ihnen zu leben…«, sie warf Sarah einen Blick zu, » …aber wir können auch nicht immer ohne sie leben.«
Frühjahr, 1986
Wangallon Station
Angus wusste, dass seine Enkeltochter nichts von der Entscheidung ihrer Eltern, West Wangallon zu verlassen, wusste. Natürlich hätte er sie anrufen und es ihr erzählen können, aber er hatte bis heute nie damit gerechnet, dass sie diesen Entschluss tatsächlich in die Tat umsetzten. Er war mit den abenteuerlichen Geschichten seines Vaters aufgewachsen, wie er in Australien angekommen war, wie sein Onkel auf den Goldfeldern gestorben war, wie sein Vater sich ein riesiges Reich erschaffen und dabei einen Großteil seiner Familie verloren hatte. Angus wusste nur zu gut, was die Gordons durchgemacht hatten, um auf Wangallon zu überleben. Nein, mit einer Geschichte wie dieser ging man nicht einfach weg. Das tat man einfach nicht, auch nicht, wenn die Schwiegertochter den Verstand verloren hatte und der Enkel ums Leben gekommen war.
Angus stand neben seiner Enkelin vor West Wangallon. Sie warteten darauf, dass Ronald aus dem Haus kam, damit sie sich von ihm verabschieden konnten. Er zog nach Norden an die Küste zu Sue, die schon vor ein paar Wochen gegangen war.
» Jetzt ist es so weit. Es hat sie niedergeschmettert, na ja, wahrscheinlich noch mehr deine Mutter als Ronald. Aber das Resultat ist das Gleiche.« Angus Hände zitterten unmerklich, als er sich eine Zigarette anzündete, die vierte innerhalb kürzester Zeit. Er zog heftig daran.
» Großvater, wann hast du eigentlich angefangen zu rauchen?« Sarahs Frage blieb unbeantwortet, aber sie wusste sowieso, dass ihr Großvater unter der Situation genauso litt wie sie.
West Wangallon schien sie trotzig anzustarren. Auf den Abflussgittern häuften sich Zweige und Blätter, und ein dumpfer, moderiger Geruch drang aus dem Haus. Die meisten Möbel waren schon vor Wochen nach Norden transportiert worden. Ein weiteres Mal seit der Überschwemmung war eine professionelle Reinigungsmannschaft gekommen, und jetzt war das Haus nur eine leere Hülle. Ihr Vater hatte in seinem Leben einige schlechte Entscheidungen getroffen, aber das hier war wirklich der Gipfel an Egoismus, dachte Sarah. Na gut, dachte sie wütend, ich habe meine Pflicht getan und winke meinem Vater zum Abschied.
Angus zündete sich eine weitere Zigarette an
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