Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Seit der Überschwemmung hatte es nicht mehr nennenswert geregnet, und die Erde war lose und trocken. Und da keine Frühlingsvegetation den trockenen Boden bedeckte, hatte der Wind leichtes Spiel.
» Erinnerungen, Sarah?«, fragte er, als seine Enkelin zu ihm trat.
Sarah konnte nur nicken. Sie musste daran denken, wie sie mit der Schubkarre zum Holzstapel gelaufen war, um Scheite für den Aga in der Küche zu holen. Und dann war sie über den holperigen Weg wieder zum Haus zurückgegangen. Unweigerlich hatte sie die Hälfte der Fuhre unterwegs verloren, und Cameron hatte sich immer kaputtgelacht darüber, wie die Schubkarre von einer Seite zur anderen schwankte.
» Es wird neue geben.« Das Haus war gesäubert worden und stand jetzt leer. Sie hatten es abgeschlossen, und ihre Erinnerungen blieben darin zurück. Ihr Großvater hatte es gekauft, und laut Kaufvertrag musste er sich darum kümmern, dass es bewohnbar blieb. Er hatte dafür gesorgt, dass das Anwesen, das er seinem Sohn zur Hochzeit geschenkt hatte, in den Händen der Gordons blieb und Ronald Geld hatte, um sich zur Ruhe zu setzen.
Schließlich hörte Sarah, wie die Hintertür zugeschlagen wurde und ihr Vater den Betonweg entlangkam. Am Ende drehte er sich um und starrte auf das Haus. An seinem Kinn zuckte ein Muskel. Sarah legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. Tränen traten ihr in die Augen, aber sie gestattete sich nicht zu weinen. Denk an etwas anderes, befahl sie sich. Die Gordons hatten sowieso noch nie gut ihre Gefühle ausdrücken können.
Anthony trat auf sie zu und schüttelte Ronald die Hand. » Es war mir eine Ehre, Sir«, sagte er.
» Danke, Anthony«, erwiderte Ronald und starrte auf die Landschaft, die er einmal geliebt hatte. Neben ihm stand Sarah. Eine ungewisse Zukunft erwartete sie. Er dachte an seine Kindheit, an die Jahre, in denen er sein Leben hier, seine Arbeit, geliebt hatte. Jetzt war alles vorbei, aber seine Tochter zumindest war gerettet. Er küsste sie sanft auf die Stirn. Ganz gleich, was Sarah dachte, er hatte sie vor Wangallon bewahrt, so wie er auch Sue davor hätte bewahren sollen und den Jungen. Das war sein einziger Kummer, dass er Cameron mit den übrigen Vorfahren im Familiengrab zurücklassen musste. Was seinen Vater anging, nun ja, Angus machte die Dinge auf seine Art, wie schon sein Vater vor ihm. Sie waren beide harte, alte Kerle mit einem hohen Anteil von Highlander-Blut.
» Pass auf dich auf!«, unterbrach Angus seine Gedanken. Er streckte den Arm aus, und Vater und Sohn reichten sich die Hände.
» Eines Tages, Sohn, wird dir klar sein, dass nichts wichtiger ist als Land.«
Da war Ronald nicht seiner Meinung. Letztlich verwalteten sie das Land doch nur für die nächste Generation. Er zögerte. » Dad, ich wollte dir danken, wegen Cameron. Ich… nun ja, mir war bis zum Unfall nicht klar, dass du…« Er suchte nach den richtigen Worten. » Dass du von Sues Untreue wusstest. Danke, dass du ihn das nie hast spüren lassen.«
Angus warf Ronald einen Blick zu. » Ich habe es für Wangallon getan, Ronald. Nicht für dich und nicht für Cameron.«
Ronald war so schockiert über diese unverblümte Antwort, dass er nur sagen konnte: » Ich verstehe.«
» Nein, du darfst mich nicht missverstehen. Cameron war ein guter Junge, auch wenn er unehelich geboren wurde.«
Ronald konnte kaum glauben, was er hörte. All die Jahre hatte er irrtümlich angenommen, sein Vater würde seinen Enkel so sehr lieben, dass ihm gleichgültig war, ob er ein Gordon war oder nicht.
» Für den Namen Gordon brauchten wir ja einen männlichen Erben. Außerdem durfte nicht öffentlich bekannt werden, dass meinem eigenen Sohn Hörner aufgesetzt worden waren. Unsere Reputation wäre für immer ruiniert gewesen. Also, auf Wiedersehen dann.«
Ronald schwieg, als sein Vater zwischen den Bäumen verschwand.
Sarah wartete, bis das Auto davonfuhr. Plötzlich hielt es jedoch an. Ronald stieg aus und ging ein paar Schritte vom Kombi weg, um nach Westen zu schauen. Sarah wusste, was er dachte, als er zum Horizont blickte. Großeltern, Urgroßeltern, Vater, Mutter, Bruder, waren da, warteten und beobachteten. Sie warteten auf den Geruch des Regens, beobachteten zuckende Blitze, die langsam näher kamen, beobachteten Wolken, die einen Sturm ankündigten, oder das grüne Glühen der Katastrophe, die der Hagel der jungen Saat brachte. Sie hielten Ausschau nach beängstigendem Rauch oder nach Staubwolken, die sich zusammenballten. Überall auf
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