Weites Land der Träume
Finger aus Omas Pudding, sonst kriegst du auch noch Ärger«, erwiderte Robert. Er trat ins Wohnzimmer, wo Elizabeth und George leise plaudernd bei einer Tasse Tee saßen. Robert, der die besorgte Miene seiner Mutter bemerkte, entschuldigte sich rasch.
»Ich bin eingeschlafen. Es war ein langer Tag. Nein«, fügte er hinzu. »Katie und ich haben nicht wieder gestritten.«
»Na, das ist aber schön zu hören. Vielleicht möchtest du deinen Bruder begrüßen. Er sitzt mit Katie auf der Veranda.«
Robert küsste seine Mutter auf die Wange und nickte seinem Vater zu.
»Hallo, Dad.«
»Mein Sohn«, antwortete George. Da Robert keine Lust hatte, allen den Abend zu verderben, indem er das heikle Thema Ian und Baumwolle ansprach, machte er sich auf den Weg zur Tür.
Kurz blieb er auf der Veranda stehen, starrte zur leuchtend strahlenden Milchstraße hinauf und genoss die friedliche Ruhe. Dann schlenderte er die Blumenkästen entlang, um Katie und Ian zu suchen. Doch als er um die Ecke kam, erstarrte er vor Schreck. Ian hielt Katie in einer eindeutigen Umarmung. Er hatte den Arm locker um ihre Taille gelegt und hob ihr Kinn mit einem Finger an. Katies Hand ruhte reglos auf seiner Brust. Robert ging schneller.
»Hallo, kleiner Bruder. Meinst du nicht, dass du es mit der Rolle des besorgten Schwagers ein bisschen übertreibst?« Sofort fuhren die beiden schuldbewusst auseinander.
»Oh, Robbo, ich habe dich gar nicht kommen gehört«, sagte Katie, ein wenig atemlos. »Ian hat mir gerade von der neuen Farm erzählt. Es scheint dort eine Menge Arbeit zu geben.«
»Hallo, Bluey. Katie und ich unterhalten uns nur über die neue Farm.«
»Und warum fängst du schon wieder mit deiner alten Leier und dem Baumwollanbau an, kleiner Bruder?«, zischte Robert, dessen Ärger wegen Stewarts Bemerkung von vorhin durch Katies und Ians Verhalten noch geschürt wurde. Ian schob die Hände in die Taschen und reckte trotzig das Kinn.
»Moment mal, jetzt geh nicht gleich in die Luft. Da draußen ist alles knochentrocken, und es wäre eine verdammt gute Idee, auf Wangianna Baumwolle anzupflanzen.«
»Warum musst du auf ihn losgehen, kaum dass er zu Hause ist?«, mischte Katie sich ein und rückte näher zu Ian heran. »Ich finde das mit der Baumwolle auch prima.«
»Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest, Katie«, gab Robert barsch zurück. »Ich dachte immer, du wolltest die Herrin von Wangianna werden. Wenn wir hier dämliche Baumwolle anbauen, wird es nämlich bald kein Wangianna mehr geben.«
»Schwachsinn!«, rief Ian aus. »Und deinen ›kleinen Bruder‹ kannst du dir an den Hut stecken. Das Problem mit dir ist, dass du ständig mit Scheuklappen durch die Welt rennst.«
»Ach, wirklich?«, erwiderte Robert, der immer wütender wurde. »Habe ich deswegen vielleicht gesehen, wie du Katie geküsst hast?«
»Sei doch nicht albern«, empörte sich Katie.
»Sie ist meine Schwägerin, und es war nur ein brüderlicher Kuss. Was ist da schon dabei?«
»Ein brüderlicher Kuss, dass ich nicht lache!«
»Ich weiß nicht, was heute Abend mit dir los ist«, zischte Katie. »Zuerst ist es dir zu lästig, zum Abendessen zu erscheinen, und dann patzt du mich an. Ich habe keine Lust, mir so etwas gefallen zu lassen.« Mit einem hasserfüllten Blick rauschte sie ins Haus.
»Wenn ich dich noch mal dabei erwische, wie du Katie betatschst, poliere ich dir die Fresse, kleiner Bruder«, warnte Robert mit zusammengebissenen Zähnen. »Auch wenn wir keine Traumehe führen, ist meine Frau deshalb noch lange kein Freiwild.«
»Du bist doch total übergeschnappt!«, brüllte Ian. Er stürmte an Robert vorbei und rannte in die Nacht hinein. Robert schüttelte den Kopf. Was war nur los mit ihm? Er setzte sich und schlug die Hände vors Gesicht. Katie nahm es mit der Treue nicht ganz so genau – aber sein eigener Bruder?
»Ist Ian dir schon einmal zu nahe getreten?«, wollte Robert wissen, als er und Katie sich auszogen, um schlafen zu gehen.
»Was glaubst du denn?«, entgegnete Katie kühl und schlüpfte in ein Baumwollnachthemd.
Robert erschauderte. Hatte Ian sie etwa auch dabei beobachtet?
»Ich glaube überhaupt nichts. Ich will die Wahrheit hören.«
»Kann sein. Stört es dich etwa?« Katie musterte ihn herausfordernd. Dann glitt sie verführerisch auf ihn zu und wollte ihm die Arme um den Hals legen.
»Du meine Güte, Katie, weißt du, was du da redest? Er ist mein Bruder«, erwiderte Robert und schob sie ärgerlich beseite.
»Wo wäre
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