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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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gar nicht in Frage, über Weihnachten nach Australien zu fliegen, so lange es so schlecht um die Gesundheit von Teddys Bruder stand. Außerdem wollte sie auf keinen Fall ohne ihren Mann verreisen. Der arme Teddy. In Krisenzeiten war er einfach überfordert.
    »Ich muss es Vicky erklären, damit sie nicht zu enttäuscht ist«, antwortete sie mit einem tapferen Lächeln, obwohl ihre Stimme zitterte.
    »Und dass du Land in Australien kaufen möchtest, erwähnst du Mutter gegenüber besser auch nicht«, fügte Teddy in bangem Tonfall hinzu.
    Alice starrte ihn ungläubig an. Auf einmal fühlte sie sich schrecklich allein. Hatte er die Reise überhaupt je gewollt? Sie schalt sich für ihr übertriebenes Misstrauen. Vermutlich war sie wegen ihrer Schwangerschaft zu empfindlich. Sie sagte sich, dass Teddy in seiner Bestürzung wegen der Krankheit seines Bruders und der Sorge seiner Mutter wahrscheinlich befürchtete, alles nur noch schlimmer zu machen, wenn er über Geld sprach. Laut dem letzten Kontoauszug hatte sich der Minusbetrag im vergangenen Monat verdreifacht. Doch Teddy hatte das nur mit der Bemerkung abgetan, ihre Mutter würde ihnen schon unter die Arme greifen, falls es Probleme gab.
    Die schwerste Aufgabe war es, Bea anzurufen, und die Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören, als sie die Vorfälle schilderte. Sie wählte dazu einen Abend, an dem Teddy bei einer Sitzung und Marigold beschäftigt war. Außerdem gab es da noch etwas, das sie besorgte, denn es war möglich, dass Marigold sie über kurz oder lang verlassen würde. Um sich von diesen trüben Gedanken abzulenken, beschloss Alice, etwas Praktisches zu tun. Sie musste die Flugtickets sofort zurückgeben, um den Preis erstattet zu bekommen, wusste allerdings nicht, ob die Rücktrittsversicherung die gesamte Summe abdeckte. Als sie in ihrer Handtasche nach dem Papier kramte, förderte sie alles Mögliche zu Tage, nur nicht das Gesuchte. Wie konnte sich in einer Handtasche nur so ein Chaos ansammeln? Verzweifelt räumte sie die ganze Tasche aus, drehte sie um und schüttelte sie. Ein winziger, abgegriffener Zettel fiel heraus und landete auf dem Haufen. Alice faltete ihn auseinander und betrachtete die Aufschrift. Es war Bens Gedicht, das sie auswendig konnte.
    Werd nicht zu schnell erwachsen
Werd nicht zu schnell groß
Dann bleiben wir zusammen
Und ziehen in ein Schloss
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen und die Schrift verschwamm. Was war nur aus ihrem Traum und aus ihrem Leben geworden? Alle Enttäuschungen des letzten Jahres, Teddys Gedankenlosigkeit, seine Weigerung, auf ihre Bedürfnisse einzugehen, und ihr Heimweh brachen über Alice herein. Zornig wischte sie sich die Tränen weg. Jetzt zu weinen, war doch nichts weiter als Selbstmitleid. Hugo hatte seinen Herzinfarkt schließlich nicht absichtlich erlitten. Sie war doch diejenige, die nicht alleine mit Vicky nach Australien hatte fliegen wollen. Zum Teufel mit ihrer ständigen Rücksichtnahme.
    Bens Gedicht in der Hand, blickte sie hinauf zum Nordstern, der am klaren und mondlosen Himmel stand. Sie hatte eine Entscheidung gefällt. Sie führte ein schönes Leben. Niemand hatte sie gezwungen, Teddy zu heiraten. Sie war glücklich mit ihm, zumindest meistens, und sie konnte mit der traurigen Wahrheit leben, dass er ihr Land nicht so liebte, wie sie es tat. Warum also hatte sie ständig das Gefühl, dass etwas an ihrem Herzen zerrte? Warum konnte sie ihre Sehnsucht nach den endlosen Weiten des unwirtlichen Landes ihrer Kindheit nicht aufgeben? Und warum vermisste sie den australischen Akzent und den australischen Humor so sehr? Wieder betrachtete sie Bens Worte, die von vor langer Zeit vergossenen Tränen verwischt waren.
    »Es hat nicht geklappt, Ben«, flüsterte sie. »Tut mir Leid.«

Kapitel dreiundzwanzig
    Robert drehte das letzte störrische Mutterschaf herum und schubste es den Korridor entlang, den er zwischen der Koppel und den verschiedenen Pferchen angelegt hatte. Dieser war gerade breit genug für ein Tier, doch manchmal machten die Schafe in ihrer Angst einfach kehrt, sodass ihr Kopf in die falsche Richtung zeigte. Robert, Melon und fünf weitere Schäfer waren gerade dabei, die trächtigen Schafe von den unfruchtbaren zu trennen. In den nächsten Wochen mussten noch dreißigtausend Tiere auf diese Weise sortiert werden. Heute hatten die Männer eine Herde von sechstausend Stück zusammengetrieben. Es war eine harte, monotone und schmutzige Arbeit, die sie nun schon seit Morgengrauen

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