Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
Vom Netzwerk:
Tränen und sie fiel ihrem Bruder um den Hals.
    »Heute soll für alle der schönste Tag werden, den sie seit langem gehabt haben«, rief sie entschlossen aus. »Wir müssen dein Geschenk wieder einwickeln und so tun, als wüsste ich nichts davon, damit du es mir zusammen mit den anderen heute Nachmittag beim Tee überreichen kannst«, fügte sie fürsorglich hinzu und packte das kostbare Präsent sorgfältig wieder ein.
    »Kriegen Cousins eigentlich Geschenke?«, erkundigte sich Ben.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Alice ernst. Doch dann erhellte sich ihre Miene. »Vielleicht nicht. Aber ich habe ja das hier.« Glücklich tätschelte sie das Päckchen und drehte sich um, als sie ein Zupfen am Knie spürte.
    »Möchtest du mir auch zum Geburtstag gratulieren, Dummerchen?«, meinte sie lachend und zog ihren Rockzipfel weg. Plötzlich machte Dummerchen einen Satz und fing an, um sie herumzutollen. Dann kamen die anderen drei Ziegen, die offensichtlich die Bedeutung des Tages spürten oder befürchteten, etwas Wichtiges zu verpassen, zurück über die Koppel gestürmt und rempelten bei ihren Versuchen, Alice zu erreichen, einander mit den Hörnern an. Alices Befürchtungen von vorhin verflogen vor Freude über die Ziegen und über Bens Geschenk. Nun spielte es keine Rolle mehr, wie sich der restliche Tag entwickeln würde. Diese Geburtstagsfeier war wunderschön.
    »Ich finde trotzdem, dass Dummerchen ein dämlicher Name für eine Ziege ist«, sagte Ben, als sie zum Haus zurückgingen, während er herumwirbelte und so tat, als träte er einen Ball vor sich her. Tante Bea empfing sie mit einem strahlenden Lächeln an der Tür.
    »Hat das Geburtstagskind heute die Ziegen gemolken? Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich dir die Arbeit ausnahmsweise erlassen«, meinte sie, schmunzelnd an Alice gewandt.
    Alice erwiderte ihr Lächeln und zeigte ihr den Milcheimer. Nachdem sie die Milch mit Bens Hilfe rasch durch das vorbereitete Musselintuch gegossen hatte, füllte sie sie zum Frühstück in einen Krug. Dann folgte sie ihrer Tante in die Küche. Als sie sah, dass alle anderen schon am Tisch saßen und ihre morgendlichen Arbeiten erledigt hatten, hätte sie sich ohrfeigen können. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie lange sie und Ben heute herumgetrödelt hatten. In der Hoffnung, dass Onkel Ray es nicht bemerkt hatte, schob sie Ben zu seinem Platz und setzte sich wortlos neben ihn. Onkel Ray blickte nicht von seinem Teller auf, wo sich drei Koteletts, zwei Eier und einige dicke Scheiben Toast türmten. Neben seinem Teller stand eine große Tasse dampfenden schwarzen Tees.
    »Du hast dir heute Morgen aber mächtig Zeit gelassen, junges Fräulein«, brummte er und griff nach seiner Tasse. Am Tisch herrschte angespanntes Schweigen, während er weiteraß. Alices Mund wurde ganz trocken. Dann hob Onkel Ray den Kopf und zog erstaunt die dichten schwarzen Augenbrauen zusammen. Er schlug die sonnengebräunte Stirn in missbilligende Falten.
    »Was ist denn mit deinen Haaren los?«, fragte er mit einem finsteren Blick auf Alice.
    Alice zuckte zusammen, als er die Gabel klappernd auf den Teller fallen ließ. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Es schien, als wäre es mit einem Mal dunkler im Raum geworden, und sie schaute rasch an ihrem Onkel vorbei aus dem Fenster, um nachzugucken, ob sich die Sonne wohl hinter einer Wolke versteckt hatte.
    »Möchtest du deiner Nichte nicht alles Gute zum Geburtstag wünschen?«, unterbrach Tante Bea ihn fröhlich. »Alice, reich deinem Onkel die Milch für den Tee.«
    Alices Miene erhellte sich und sie lächelte ihrer Tante dankbar zu. Ihre blauen Augen leuchteten wieder im Morgenlicht, als sie Onkel Ray Milch einschenkte und sich dann über ihr Frühstück hermachte. Doch Onkel Ray ließ sich nicht so leicht ablenken.
    »Also, junges Fräulein?«, knurrte er, ohne auf Tante Beas Einwand zu achten. »Und verkriech dich nicht hinter deiner Tante.« Alice sah Bea flehend an, und die Worte waren ausgesprochen, bevor sie sich zurückhalten konnte.
    »Du hast gesagt, ich dürfte an meinem Geburtstag die Haare offen tragen, Tante Bea.«
    »Das habe ich nie gesagt«, gab Tante Bea rasch zurück, ließ sich dann aber erweichen. »Doch wenn dein Onkel nichts dagegen hat, erlaube ich es dir.« Es war schon spät, und sie hatte noch eine Menge Arbeit vor sich. Ein langer Streit mit Ray über eine solche Kleinigkeit hatte ihr gerade noch gefehlt. Alice, die ihre Abgehetztheit als Ablehnung missverstand, wurde

Weitere Kostenlose Bücher