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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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klar, dass sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte.
    »Das hättest du wissen müssen, Damien«, schalt die Lehrerin. »Wir haben es Ende letzten Jahres gründlich durchgenommen, weshalb ich deine Krankheit nicht als Entschuldigung gelten lassen kann. Und die kleine Alice, die damals noch gar nicht bei uns in der Schule war, kennt die richtige Lösung. Das ist gar nicht gut, Damien.«
    Entgeistert starrte Alice die Lehrerin an und konnte nicht fassen, wie diese nur so wenig Einfühlungsvermögen zeigen konnte. Sie musste doch wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Damiens hochrotes Gesicht und das verängstigte Schweigen, das sich über die Klasse senkte, sprachen Bände. Nach dem Unterricht trödelte Alice herum, da sie keine Auseinandersetzung riskieren wollte. Sie fragte sich, ob nur sie es war, der das Wort »Neue« nicht aus dem Kopf ging, oder ob die anderen es ihr tatsächlich zuzischten. Die seltsamen Blicke, die ihre Mitschüler ihr zuwarfen, als sie hinausging, verursachten ihr Herzklopfen. Alice kramte nach ihren Pausenplätzchen und beschloss, erst zu essen und dann auf die Toilette zu gehen.
    Die Mittagspause schleppte sich dahin. Alice hielt sich dicht bei den anderen auf und sah sich immer wieder über die Schulter nach Grunz um. Kurz vor dem Nachmittagsunterricht bewahrheiteten sich ihre schlimmsten Befürchtungen, als Flos auf sie zugeschlendert kam und ihr die Worte »offizielle Zeremonie« ins Ohr zischte. Alice zuckte zusammen wie nach einem Schlag, während Flos sich auf die Nase tippte.
    »Du bist doch nicht etwa so doof zu glauben, dass wir dich vergessen haben?«, stichelte er mit bemüht lässiger Miene.
    Alice erbleichte, als er ihr zuzwinkerte. Auf dem Rückweg ins Klassenzimmer bekam sie weiche Knie. Grunz erwartete sie bereits mit verschränkten Armen und warf ihr einen finsteren Blick zu. Sie hatte das Gefühl, dass alles wie in Zeitlupe verlief. Sie spürte ein Summen im Kopf und flehte zum Himmel, ihr Peiniger möge einen Rückfall seiner Krankheit erleiden.
    Die Glocke, die das Ende des Schultags ankündigte, hallte über den Hof, doch Alice schloss sich nicht den anderen Kindern an, die sofort ins Freie stürmten. Stattdessen blieb sie in dem nun stillen Raum sitzen, starrte mit leerem Blick auf die in den alten Schultisch gekratzten Initialen und wünschte sich, sie könnte die Zeit zurückdrehen und sich am Schultor in die wartenden Arme ihrer Mutter stürzen. Ben, der sie sanft am Ellenbogen rüttelte, riss sie aus ihren Gedanken.
    »Können wir jetzt nach Hause gehen?«, fragte er. Alices Augen glichen dunklen Seen, als sie ihren Bruder ansah. Ihr Magen zog sich zusammen. Da sie Ben nicht ängstigen wollte, nickte sie rasch und verzog die Lippen zu einem tapferen Lächeln. Nachdem sie ihre Bücher zusammengesucht hatte, schulterte sie ihren Tornister und schob Ben nach draußen. Insgeheim war sie froh über seine Gegenwart. Sie hatten den verlassenen Schulhof schon halb überquert, als Grunz’ Stimme durch die Stille dröhnte. Alice zuckte zusammen.
    »Hallo, Neue. Alice Ferguson!«
    Alice bekam ein flaues Gefühl im Magen, und ihre Hände wurden feucht. Sie hielt mitten im Schritt inne und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst.
    »Wir freuen uns schon alle auf deine offizielle Aufnahmezeremonie«, sagte Grunz, zu Alices Rücken gewandt. »Richtig, Jungs?« Als Alice sich langsam umdrehte, pochte ihr Schädel. Beim Anblick von Grunz, der, die Arme verschränkt, die Beine gespreizt und flankiert von sechs seiner grienenden Helfershelfer dastand, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen.
    »Ja, alter Junge!«, erwiderten seine Kumpane im Chor.
    »Tut mir wirklich Leid, dass ich unseren letzten Termin verpasst habe. Also werden wir für dich eine ganz besondere Zeremonie veranstalten.« Mit lautem Kichern trat er auf Alice zu und bedeutete seinen Anhängern, ihm zu folgen. »Wir wollen sie doch nicht enttäuschen, stimmt’s, Jungs?«
    »Nein, alter Junge!«, entgegnete die Bande wie auf ein Stichwort. Flos’ Stimme übertönte die anderen.
    »Halt’s Maul, Flos. Du brauchst nicht zu kreischen wie ein Mädchen«, befahl Grunz. Alice griff zitternd nach Bens Hand. »Dunk, sag Alice, dass wir sie begrüßen wollen.« Gehorsam kam Dunk auf Alice zu.
    »Wir wollen dich begrüßen«, verkündete er.
    Alice, die auf einen Schlag gefasst gewesen war, atmete auf, als nichts geschah. Sie lächelte zögernd.
    »Danke«, murmelte sie. Sie umfasste Bens Hand fester und ging in

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