Weites wildes Land
Zack, Cliff und Maudie zu sich, als sie von ihrer täglichen Arbeit nach Hause kamen. »Hört mir bitte zu. Ich habe Sibell als meine Sekretärin angestellt. Und weil ich sie brauche, möchte ich, daß ihr sie wie ein Familienmitglied behandelt. Sonst läuft sie mir noch davon.« »Dein Wunsch sei mir Befehl.« Cliff grinste. »Auf jeden Fall ist sie ein erfreulicher Anblick.« Charlotte sah, daß Maudie ein Gesicht zog. »Genug! Ihr Jungen erweist ihr den Respekt, den sie verdient.« »Was geht mich das an?« beschwerte sich Zack. »Solange du zufrieden mit ihr bist, halte ich mich raus.« »Wenn sie überhaupt bleibt«, höhnte Maudie. »Sie ist ein Dämchen aus der Stadt. Ich wette zehn zu eins, daß sie es keinen Monat hier aushält.« »Wer ist sie überhaupt?« fragte Cliff. »Was, zum Teufel, macht sie im Territory? Sie paßt hierher wie die Faust aufs Auge.« »Ich habe ihre Freundin gesehen«, erzählte Maudie. »Ein kleines blondes Flittchen und aufgedonnert wie ein Weihnachtsbaum. Ich fresse einen Besen, wenn das keine Hure war.« »Sibell ist ein anständiges Mädchen«, entgegnete Charlotte und wandte sich dann an Zack. »Du erinnerst dich doch noch an das Schiff, das im letzten Jahr vor Fremantle untergegangen ist? Die Cambridge Star?« »Nie gehört«, mischte sich Maudie ein, aber Charlotte achtete nicht auf sie. Wenn ihre Schwiegertochter endlich lesen lernen würde, hätte sie auch davon gewußt, denn Berichte über das Unglück hatten in allen Zeitungen gestanden. »Sibell ist eine der Überlebenden dieses Unglücks«, fuhr sie fort. »Ich glaube, es sind nur wenige Passagiere davongekommen. Josie Cambray hat mir von ihr geschrieben. Sibells Mutter und Vater sind ertrunken. Sie hat ihre ganze Familie und alles Hab und Gut verloren.« »O nein!« stöhnt Zack ehrlich entsetzt. »Das arme Mädchen.« »Davon hat sie mir nie etwas erzählt«, schmollte Maudie. »Manche Menschen haben soviel Schreckliches durchgemacht, daß sie nicht darüber sprechen können«, sagte Charlotte leise. »Mir hat sie auch nicht viel erzählt, also geht behutsam mit ihr um.« »Fragt sich, ob dieses Land das richtige für ihre Nerven ist«, höhnte Cliff, und Maudie lachte. »Bei der ersten Schlange, die sie sieht, stirbt sie bestimmt fast vor Angst.« »Das geht doch jedem so«, gab Zack mürrisch zurück »Du bist letztens auch fast in Ohnmacht gefallen und hast eine junge Python erschossen, die niemandem etwas zuleide tun wollte.« »Laßt das jetzt!«, unterbrach Charlotte. »Sibell kann mir im Haus helfen, und mit der Zeit wird sie alles über den Busch lernen. Schließlich hatte sie den Mut, von Perth hierher zu kommen. Ich wette, ihr werdet noch alle überrascht sein, wie gut sie sich eingewöhnt.«
* * *
Zack mußte sich ein Lächeln verkneifen, als Maudie zum Abendessen herunterkam. Da sie jetzt dem Vergleich mit Sibell standhalten mußte, hatte sie sich Mühe beim Ankleiden gegeben. Eigentlich hatte ihr Charlottes Aufforderung, sich abends umzuziehen, überhaupt nicht gepaßt, und nur um des lieben Friedens willen, hatte sie die Hose mit einem Rock vertauscht. Allerdings trug sie darüber auch weiterhin ein offenes Männerhemd. Heute aber hatte sie eine Bluse angezogen und sie ordentlich bis zum Hals zugeknöpft. Doch als Sibell hereinkam, mußte Zack sich tatsächlich beherrschen, damit ihm nicht der Mund offen stehen blieb. In dem anmutigen, weißen Kleid sah sie aus wie ein Traum. Ihr weiches, gewelltes Haar schimmerte honigfarben im Lampenlicht, und ihre Haut erinnerte ihn an cremeweiße Kamelien. »Guten Abend«, sagte sie schüchtern. Er konnte den Blick nicht von ihren langen, dunklen Wimpern lösen, die glänzende, blaugraue Augen beschatteten. Ihm kam es vor, als sehe er sie zum ersten Mal. Charlotte ließ alle Platz nehmen, sprach das Dankgebet und wandte sich dann an Sibell. »Willkommen im Hause Hamilton.« Zack versuchte, seine Aufmerksamkeit auf das Essen zu lenken. In Gegenwart dieser Schönheit, dieses Wesens aus einer anderen Welt, fühlte er sich sehr klein. Und er hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, weil er zuließ, daß sie eine solche Wirkung auf ihn hatte, als wäre er ein junger Bursche, der sich so einfach Hals über Kopf verliebt. Das mußte er unterbinden. Er hatte nicht die Zeit, sich Gedanken über Mädchen zu machen, vor allem nicht über dieses hier. Als sie die Augen auf ihn richtete, wandte er den Blick ab, und während der gesamten Mahlzeit richtete er
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