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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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wohl. Sie glaubte, Charlotte wollte sie demütigen, weil sie immer auf gute Manieren und einen ordentlichen Aufzug bestand. Für Charlotte waren gepflegte Umgangsformen sehr wichtig, und ihre Söhne gehorchten gutmütig, wenn sie verlangte, daß sie sich abends vor dem Essen umzogen. »Baden, rasieren und saubere Fingernägel« war alles, was sie von ihnen verlangte. Sie bestand ja gar nicht darauf, daß sie in dieser Hitze weiße Jackets trugen, wie es bei manchen Farmersfamilien im Osten üblich war. Auch bei mehr als vierzig Grad hätten die Männer in diesen Häusern nie das Wohn- oder das Eßzimmer in Hemdsärmeln betreten. Aber ihrer Ansicht nach war das bei diesem Klima übertrieben. Maudie hingegen hielt all ihre Änderungen wahrscheinlich für eben das. Nicht, daß Maudie jemals etwas gesagt hätte, wenigstens nicht zu Charlotte persönlich, doch in ihren scharfen braunen Augen lag unmißverständlicher Spott. »Mein Gott«, seufzte Charlotte leise. Maudie war eine gute Farmersfrau und ihrem Mann in vieler Hinsicht eine große Hilfe. Sie ritt, als wäre sie im Sattel geboren. Charlotte wünschte nur, Maudie hätte sich mehr um ihren Sohn Wesley gekümmert. Sie schien zu glauben, daß dem Kind nichts fehlte, solange ihn jemand versorgte – in diesem Fall die beiden Eingeborenenmädchen, die ihn betreuten, seit er auf der Welt war. Wie immer schwieg Charlotte dazu. Wie die jungen Leute ihre Kinder erzogen, war ihre Angelegenheit. Aber dieses Mädchen, diese Miss Delahunty, beeindruckte sie. Obwohl sie aus der Stadt kam, mußte sie wirklich Mumm in den Knochen haben, wenn sie wegen der ungewissen Aussicht auf eine Anstellung und eine Unterkunft so weit gereist war. Oder sie war verzweifelt. Und so beschloß Mrs. Hamilton, die junge Dame sehr sorgfältig unter die Lupe zu nehmen.    
     
    * * *
     
    Als Sibell vom Kutschbock stieg, erkannte sie das Haus, die Frau, die starrenden Menschen und die schwarzen Gesichter nur wie durch einen Nebel. Sie durchquerte den dämmrigen Hof und folgte Maudie hinein. Alles sprach aufgeregt durcheinander, und man führte sie in ein Schlafzimmer. »Nennen Sie mich Charlotte«, sagte die Frau. »Die Mädchen lassen Ihnen ein Bad ein. Nach der Kutschfahrt müssen Sie ganz schön durchgerüttelt sein.« Als Charlotte zurückkam, war Sibell noch immer im Bademantel. »Fühlen Sie sich jetzt besser?« »Ja, vielen Dank. Das Bad war eine Wohltat.« »Ich habe ein wenig Epsom-Salz ins Wasser gegeben«, sagte Charlotte. »Das macht müde Muskeln wieder munter. Möchten Sie zum Abendessen hinunterkommen?« »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich zu Bett gehe? Ich bin todmüde.« »Aber nein. Ich lasse Ihnen Tee und belegte Brote hinaufbringen.« Sibell konnte kaum die Augen offen halten, bis ihr ein fröhliches schwarzes Mädchen ein leichtes Abendessen brachte. Langsam verzehrte sie die Brote und war erleichtert, nach dieser entsetzlichen Reise in einem anständigen Bett zu liegen. Es waren nicht nur die schmerzenden Knochen nach der Kutschfahrt. Daß sie in der letzten Nacht am Idle Creek im Freien hatte schlafen müssen – nur mit einer Decke und einem Moskitonetz –, war der Tropfen gewesen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Sibell war schläfrig und verwirrt. Als sie zwischen den kühlen, sauberen Laken lag, drang eine warme Brise zum Fenster herein, und sie schlief sofort ein.    
     
    * * *
     
    Am Morgen brachte Charlotte selbst das Frühstück auf einem Tablett und stellte es auf einen Tisch am offenen Fenster. »Das war aber nicht nötig«, sagte Sibell. »Keine Umstände. Hier habe ich Haferbrei, Würste, Eier mit Speck, geröstetes Brot und Tee. Ich konnte sogar ein wenig Marmelade auftreiben.« Wieder einmal war Sibell von der Reichhaltigkeit des Frühstücks überrascht. Aber da sie nichts sagen wollte, zog sie sich einen Stuhl an den Tisch. Es war bereits sehr heiß, und draußen leuchtete ein blauer Himmel über einer Reihe dunkler Bäume. Von irgendwoher hörte Sibell seltsame Schreie. Erschrocken sprang sie auf und ließ das Besteck fallen. »Das ist nur Cocky«, erklärte Charlotte. »Lassen Sie sich von ihm nicht stören. Er lebt auf der Veranda und glaubt, das ganze Haus gehört ihm. Jetzt frühstücken Sie erst einmal in Ruhe, und dann komme ich zurück und trinke ein Täßchen Tee mit Ihnen, wenn es Ihnen recht ist.« »Ja, gerne.« Sibell war von Charlottes Freundlichkeit und Ungezwungenheit beeindruckt. Sie hatte etwas anderes erwartet: eine strenge,

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