Weites wildes Land
sicher auch verstehen. Aber was würde ihre Mutter erst sagen, wenn sie erfuhr, daß sie hier mit einem fremden Mann allein war. Das war so peinlich, daß sie nur hoffen konnte, niemand würde es je erfahren. Sibell war fest davon überzeugt, daß Logan Conal ihren guten Ruf ruinieren würde. Schließlich hatte er sie gezwungen, letzte Nacht neben ihm zu schlafen, keinen Meter weit entfernt. Und wie es aussah, würden sie auch die kommende Nacht gemeinsam verbringen, diese und vielleicht noch viele andere. So lange zumindest, bis sie Perth erreicht hatten, vorausgesetzt, die Richtung stimmte. In Zeitschriften hatte sie schon Berichte von Paaren gesehen, die zusammen auf einer einsamen Insel gestrandet waren. Allerdings hatte sie sich nicht dazu herabgelassen, diese Artikel zu lesen, dazu waren sie viel zu unzüchtig. Beim bloßen Gedanken daran errötete Sibell, und Tränen strömten ihr die Wangen herab. Sie war für den Rest ihrer Tage gezeichnet: Dieser Mann hatte sie kompromittiert. Logan Conal machte sich Sorgen. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und trotzdem hatten sie erst wenige Kilometer zurückgelegt. Ständig mußte sich das Mädchen ausruhen. Diesmal hatte sie Seitenstechen. Dagegen konnte man nichts machen, und deshalb gab er ihr einen Schluck Wasser und wartete ab. Sie war so verwirrt und außer sich, daß es wenig Sinn hatte, sie noch mehr anzutreiben. Doch wenn sie nicht in Bewegung blieben, würden sie umkommen.»Geht es wieder?« erkundigte er sich. »Ja, ich glaube, es ist vorbei.« Sie mühte sich auf die Beine und tat ein paar Schritte. Am feuchten Saum ihres Rocks klebte dick der Sand. »Lassen Sie mich ein paar Zentimeter von ihrem Rock abschneiden«, schlug er vor. »Dann schleift er nicht mehr über den Boden, und Sie kommen viel leichter voran.« »Sie werden nichts dergleichen tun. Ich will doch nicht in Lumpen gefunden werden. Ist meine Jacke noch da?« Er nickte. Es war nicht einfach gewesen, sie zur Herausgabe ihrer Jacke zu bewegen, und das, obwohl sie darunter eine Bluse trug. Doch schließlich hatte die Hitze gesiegt, nachdem er ihr versprochen hatte, er würde gut auf die Jacke achten, solange sie in seinem Segeltuchsack blieb.»Ich habe mich entschlossen«, sagte sie jetzt, »hier zu bleiben. Ich warte im Schatten dieser Sträucher, und wenn Sie in der Stadt angekommen sind, können Sie jemanden schicken, der mich abholt.« »Auf keinen Fall. Sie kommen mit mir.« »Ich laufe nicht einen Schritt weiter diesen dummen Strand entlang. In der prallen Sonne ist es viel zu heiß. Warum gehen wir nicht ins Landesinnere und suchen eine Farm?« »Weil es so aussieht, als wäre die Gegend unbewohnt.« »Im Landesinnern gibt es wenigstens Bäume, und wir hätten beim Laufen ein wenig Schatten. Aber das haben Sie wohl nicht bedacht.« Er seufzte. »Miss Delahunty, für diesen Ausflug bin ich verantwortlich, und Sie werden tun, was ich Ihnen sage.« Mit widerstrebenden, betont langsamen Schritten ging sie weiter. Er folgte ihr. Am liebsten hätte er ihr wie einem störrischen Esel einen ordentlichen Klaps auf den Allerwertesten verpaßt. Stattdessen versuchte er sein Glück mit einer Gardinenpredigt.»Ich habe nicht die Absicht, hier draußen zu verdursten. Aber wenn es doch passiert, ist es einzig und allein Ihre Schuld. Ich habe von Ihren Mätzchen gründlich die Nase voll. Schließlich sind Sie keine alte Frau, sondern jung und bis jetzt noch ganz kräftig. Also setzen Sie sich gefälligst in Trab, oder ich treibe Sie mit dem Stock an!« Ein verblüffter Blick aus ihren grünen Augen traf ihn bis ins Mark. Der Mund blieb ihr offen stehen. Beinahe hätte Logan laut aufgelacht. Trotz ihres Sonnenbrands und der verfilzten honigblonden Mähne war sie ein atemberaubender Anblick. »Wie können Sie es wagen!« fuhr sie ihn an. Dann raffte sie den Rock und lief davon, wahrscheinlich, um ihm zu entkommen. Doch zumindest waren sie nun wieder unterwegs. Er lächelte, als er ihr mit großen Schritten folgte und ihre zierlichen Fesseln bewunderte. Jetzt wußte er, daß es leichter war, sie anzutreiben, als sie zu führen. Vier Tage zogen sie gen Süden. Sie ernährten sich von Fisch und kleinen Schlucken Wasser, und seine Begleiterin hatte sich ein forsches Marschtempo angewöhnt. Er dankte dem Herrn, daß es so viele Fische gab; die herumziehenden Schwärme von Meeräschen machten es ihm leicht, sie beide zu ernähren. Das Mädchen war jetzt ruhiger. Bei Tagesende war sie zu müde, um sich noch
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