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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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augenblicklich.
    »Peter«, flüsterte sie. »Ich bin’s.«
    »Was? Die Verbindung ist lausig.«
    »Hör zu. Ich brauch dich früher hier.«
    »Ah«, sagte er. »Ist’s schon Zeit für die zweite Flasche?«
    Er war von schneller Auffassungsgabe. Eines der guten Dinge an ihm.
    Eines der vielen guten Dinge.
    »Die dritte«, sagte sie. »Vom Essen ist weit und breit nichts zu sehen, und sie ist wieder abserviert worden. Von irgendeinem Arzt. Sie hat angefangen, von den Problemen beim Sex in einem Maserati zu erzählen.«
    »Die Arme. Kannst du ihr nicht sagen, dass du Kopfschmerzen hast? Bei mir funktioniert das auch immer.«
    »Haha. Kannst du kommen? Bald? Sag, es gibt Probleme mit dem Babysitter.«
    »Bin schon unterwegs. Dauert höchstens eine Viertelstunde. Halt durch, Mädel.«
    Sie hatte gerade das Handy in der Tasche verstaut, als Cressida wieder ins Zimmer kam.
    »Sue-Lynn«, sagte sie. »Meine Schwägerin. Wollte wissen, ob ich was von Pal gehört habe. Ist anscheinend nicht zum Squash mit Jase aufgetaucht, und keiner weiß, wo er ist. Die dumme Schlampe.«
    In den fünf Jahren ihrer Freundschaft hatte sie noch nie ausführlich von ihrer Familie erzählt, noch nicht einmal von ihrem Bruder Pal, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte und der indirekt dafür verantwortlich war, dass Ellie und Cress sich kennen gelernt hatten. Ihm gehörte ein Antiquitätenladen namens Archimagus im mittelalterlichen Stadtkern nahe des Doms. Ellie war einige Male dort gewesen, ohne etwas zu kaufen und ohne vom Ladenbesitzer mehr wahrzunehmen, als dass er ein gutaussehender junger Mann war, der sich nach der halbherzigen Frage, ob er ihr behilflich sein könne, unaufdringlich im Hintergrund hielt. Beim dritten Mal, als sie ihr Interesse an einem Messerkasten aus dem siebzehnten Jahrhundert bekundete – Walnuss mit wunderschönen Perlmuttintarsien in Form eines Schmetterlings im Deckel –, hatte er ihre Fragen eloquent und kenntnisreich beantwortet und ihr äußerst subtil zu verstehen gegeben, dass nur eine Person von ausgesucht empfindsamem Geschmack diesen Gegenstand aus allen anderen in seinem Fundus auswählen könne. Schließlich schlug er ihr vor, sie möge ihn mit nach Hause nehmen, um zu sehen, wie er
in situ
wirke, sie gehe keinerlei Verpflichtungen ein, worauf eine junge Frau, die soeben den Laden betreten hatte, in schallendes Gelächter ausgebrochen war.
    »Ich wette, er hat noch keinen Preis genannt«, sagte sie.
    Ellie musste ihr nach einigem Nachdenken Recht geben.
    Der Preis wurde genannt. Ellie sah zum Neuankömmling und zog fragend eine Augenbraue hoch.
    Sie spitzte die Lippen, schüttelte den Kopf und sagte: »Ist das alles, was du für die Freundin deiner Schwester tun kannst?«
    »Ihr zwei seid befreundet?«, sagte Pal.
    Cressida hatte zu Ellie gesehen, gegrinst und gesagt: »Nein, aber ich glaube, dass wir es sein könnten.«
    Worauf Pal erwidert hatte: »Dann gebt mir Bescheid, wie es sich entwickelt, dann können wir über einen möglichen Preisnachlass reden.«
    Es hatte sich gut entwickelt, und der Messerkasten zierte nun das Pascoesche Esszimmer. Obwohl sich die Freundschaft zu Cressida entfaltet hatte, war der Bruder nichts weiter als der Antiquitätenhändler geblieben, den sie duzte. Was die übrige Familie anbelangte, hatte sie nur aufgeschnappt, dass es eine jüngere Schwester gebe und dass sie irgendwann in ihrer Kindheit beide Eltern verloren hatten. Allerdings hatte sie nie den Versuch unternommen, Cress über die augenscheinlichen Spannungen und Probleme auszufragen, die sich aus ihrer Jugend ergeben hatten. Was nicht bedeutete, dass sie nicht neugierig war – verdammt, sie waren doch Freundinnen, oder? Und mit seinen Freunden vertraut zu sein war noch wichtiger als seine Feinde zu kennen. Reine Neugier, dachte sich Ellie, mochte einen vielleicht dazu bringen, im Leben eines Fremden herumzuspionieren, würde es aber nie rechtfertigen, seine Nase unaufgefordert in die Angelegenheiten einer Freundin zu stecken.
    Kamen die Vertraulichkeiten aber ungefragt, war es nicht an ihr, sie diesbezüglich zu entmutigen, schon gar nicht in einer Situation, in der sie ebenfalls dem nützlichen Zweck dienten, den drohenden Übergriff hinauszuzögern.
    »Du machst dir keine Sorgen?«, sagte sie.
    »Nein. Wahrscheinlich ist er noch im Laden und damit beschäftigt, Rabatt zu geben.«
    »Wie bitte?«
    Cressida grinste.
    »Die betuchten Damen lieben ihre
objets d’art
, aber ihr Geld lieben sie noch

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