Welch langen Weg die Toten gehen
den Außenspiegel passierten sie das Tor.
Pascoe kurbelte das Fenster herunter.
»Ich glaube, wir könnten uns jetzt wieder ein wenig der gesetzlichen Geschwindigkeitsbegrenzung nähern, Shirley«, schlug er vor.
»Ja, Sir«, sagte sie und hielt die Geschwindigkeit bei. »Und Sie erzählen mir dann auch, um was es hier geht, oder, Sir?«
Und Pascoe, der durchaus erkannte, wenn ihm ein Angebot unterbreitet wurde, das abzulehnen nur dämlich gewesen wäre, sagte: »Ich wollte es Ihnen sowieso erzählen.«
6
Ein Iren-Witz
S hirley Novello lauschte mit einer Konzentration, die zu Pascoes Erleichterung mit einer direkt proportionalen Geschwindigkeitsreduzierung einherging, als er von Wields Zusammentreffen mit Kay Kafka am Abend zuvor und den nachfolgenden gerichtsmedizinischen Ergebnissen erzählte.
»Also, dass Mrs. Kafka letzte Nacht im Haus auftaucht und den Gewehrschrank öffnet, belastet sie nicht, sondern entlastet sie eher?«, sagte Novello.
»Das klingt, als würden Sie daran zweifeln, Shirley. Oder sind Sie enttäuscht?«
»Ist mir so oder so ziemlich egal«, sagte sie. »Sie meinen also, dieser Maciver hat seinen Selbstmord bewusst so geplant, dass der Eindruck entsteht, Mrs. Kafka hätte ihn ermordet?«
»Sieht so aus.«
»Aber das ist doch dumm!«, warf sie ein.
»Ja, da bin ich ganz Ihrer Meinung, aber ich würde gern Ihre Gründe dafür hören, Shirley.«
»Na ja, das ist doch wie bei diesem Iren-Witz über den Typen, der seine Frau mit seinem besten Freund im Bett erwischt. Er holt sein Gewehr, richtet es sich auf den Kopf und sagt: ›Okay, jetzt werd ich’s dir aber zeigen‹. Und sie bricht in schallendes Gelächter aus, und er sagt: ›Da gibt’s nichts zu lachen – du bist als Nächste dran!‹ Ich meine, was hat es für einen Sinn, wenn Maciver sich selbst umbringt, um seiner Stiefmutter eins auszuwischen? Sie bleibt am Leben, und er ist dann immer noch tot.«
»Schön ausgedrückt«, sagte er. »Und mir gefällt die anekdotische Analogie. Aber fragen Sie sich selbst, fällt Ihnen ein Umstand ein, der dieses Konzept weniger zu einem Iren-Witz macht?«
Novello, deren klassische Bildung kaum über das durch ihre katholische Erziehung eingeimpfte Kirchenlatein hinausging, hätte sich durch den Verweis auf den sokratischen Elenchus eigentlich vor den Kopf gestoßen fühlen müssen. Doch trotz ihrer anfänglichen Verstimmung, da sie den DCI mit seinen kleinen Fragen als herablassend empfunden hatte, kam sie zu der Einsicht, dass er ihr nicht nur den Weg zeigen, sondern sie auch dazu auffordern wollte, diesen Weg selbst zu beschreiten. Mit anderen Worten, er wollte hier nicht den cleveren Klugscheißer spielen, sondern ihr beibringen, selbst eine clevere Klugscheißerin zu sein.
Nachdenklich sagte sie: »Dass er Kay mit hineinziehen könnte, musste ihm nachträglich gekommen sein. Er musste einen anderen Grund für seinen Selbstmord gehabt haben, einen richtigen Grund, keinen wie aus einem Iren-Witz.«
»Und wenn Sie sich daran erinnern, dass er kein guter Katholik war, wie könnte dieser richtige Grund dann aussehen?«
»Dass er sowieso sterben würde, nur langsamer, schmerzhafter.«
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Dann sollten wir das mal herausfinden, oder?«
Er kramte sein Handy heraus, wählte die Nummer des Zentralkrankenhauses und bat darum, zu Mr. Chakravarty durchgestellt zu werden. Nach den üblichen Hindernissen, die den nicht privat versicherten Patienten in den Weg gelegt wurden, die direkt einen Facharzt konsultieren wollten, bekam er die Sekretärin des großen Mannes in die Leitung, die sich erneut im schönsten Blockade-Modus befand.
»Mr. Chakravarty hat heute Morgen bereits mit einem Beamten über Mr. Maciver gesprochen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Außerdem ist er sehr beschäftigt, und ich weiß nicht, wann er Zeit für Sie findet.«
»Kein Problem«, sagte Pascoe. »Ich möchte ihn nur ungern bei seiner Arbeit stören. Sagen Sie ihm, es macht mir nichts aus, ihn bei sich zu Hause zu befragen, wenn ihm das lieber ist. Ach, und übrigens, sagen Sie ihm auch, es geht nicht um Mr. Palinurus Maciver, sondern um Miss Cressida Maciver.«
Er nahm das Handy vom Ohr und lächelte Novello an. Sie fuhren nun durch das Dorf Cothersley, irgendetwas tat sich vor dem Dog and Duck, aber der Wagen war immer noch zu schnell, um Genaueres erkennen zu können.
»Sir«, sagte Novello. »Ich glaube, jemand will mit Ihnen reden.«
Von seinem Schoß ertönte eine leise,
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