Wellentraum
Füßen zusammen.
Erleichterung und Schmerz und Zärtlichkeit wallten in Margreds Brust auf. Ihre Augen schwammen vor ungewohnter Nässe. Sie blinzelte sie fort und stieg über die Leiche auf dem Deck, um zu Caleb zu kommen. Sie musste ihn berühren, sich vergewissern, dass er in Sicherheit war.
Mit zitternden Fingern streifte sie ihm das Haar aus der Stirn und strich über die Schwellung um seine Augen und seine arme gespaltene Lippe.
Sie zuckten beide zusammen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
Er ergriff ihre Finger und führte ihre Hand an seinen Mund. Dabei liefen ihr die Augen wieder über. »Mir geht es gut. Und dir?«
»Er hat dich angeschossen«, sagte sie, und ihre Stimme wurde laut vor Empörung.
»Ja.« Caleb legte ihr den unverletzten Arm um die Taille. »Es tut auch höllisch weh. Aber es ging mir schon mal schlechter.«
Sie vergrub ihr Gesicht an seinem T-Shirt, und der Griff seines Arms wurde fester. Sie ruhte an seinem Herzen, saugte seine Kraft, den Trost seiner Gegenwart ein. Er drückte ihr einen Kuss aufs Haar.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte Dylan.
Caleb antwortete seinem Bruder über die Schulter hinweg. »Ich habe ihm die Luftzufuhr abgedreht.«
»Er ist weg.«
Caleb berührte die Leiche auf dem Deck mit der Stiefelspitze. »Er ist nicht weit gekommen.«
»Der Dämon«, erwiderte Dylan ungeduldig. »Ich kann ihn nicht spüren. Wo ist er?«
Gewarnt von Dylans Tonfall, hob Margred den Kopf von Calebs Brust. Sie war beunruhigt vom Rhythmus seines Herzschlags, alarmiert von der vagen Gewissheit, dass etwas … nicht stimmte. Sie prüfte die Luft.
»Ich rieche auch keinen Dämon«, bestätigte sie.
Nur ein Prickeln in ihrem Rachen, einen hinterhältigen Hauch Schwefel im Wind …
»Das ist gut.« Caleb stand unerschütterlich wie ein Denkmal, während das Blut seinen Arm hinablief und das Deck befleckte. »Oder?«
Margred wechselte einen Blick mit Dylan. Angst rührte sich wie ein Wurm in ihrer Brust.
»Dämonen sind unsterblich«, sagte Dylan. »Er würde nicht mit seinem menschlichen Wirt zusammen sterben.«
Caleb runzelte die Stirn. »Ich habe gedacht, ihr hättet ihn gebunden.«
Margred wurde rot. »Wir hatten keine Zeit dazu.«
Es klang selbst für sie wie eine Entschuldigung.
Caleb nickte, als würde er ihre Erklärung hinnehmen.
Dylan gab sich damit nicht zufrieden. »Er kann nicht einfach verschwunden sein.«
Die Furchen auf Calebs Stirn vertieften sich. »Warum nicht? Dämonen haben keine Materie, hat Maggie gesagt.«
»Keine eigene Materie«, entgegnete Margred. Das schleichende Gefühl, dass etwas
verkehrt
war, wühlte sich in ihr Herz. »Sie borgen sich Form und Substanz von anderen.«
Sie verließ den tröstlichen Bannkreis seines Arms, um ihre Sinne zu befragen, um die verstörende Spur des Höllenfeuers, das das Boot umklammert hielt, zurückzuverfolgen. Aber es war erstickt, zugeschüttet, ihr irgendwie verborgen.
Dylan hob eine Augenbraue.
Sie schüttelte frustriert den Kopf.
Nichts.
»Dann weiß ich, wohin er verschwunden ist«, sagte Caleb ruhig. »Der Dämon. Tan.«
Margred sah ihn überrascht an. Er stand unbeweglich über Whittakers Leiche, sein Gesicht wie in Stein gemeißelt. Sein rechter Arm hing nutzlos und schlaff von seiner Schulter herab. Die linke Hand ballte sich an seiner Seite zur Faust.
»Wo?«
»Wovon redest du?«, wollte Dylan wissen.
Caleb holte kurz und tief Luft. »Ich spüre etwas – ich spüre ihn –, wie er sich in meinen Geist drängt.« Er begegnete Margreds Blick, mit Augen, die so nüchtern wie der Tod waren. »Ihr könnt ihn nicht finden, weil sich der Dämon einen neuen Wirt gesucht hat. Er ist jetzt in mir.«
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22
I ch kann nicht. Der Geist des Dämons hat sich mit deinem vermischt.« Maggies Gesicht war kalkweiß. Ihre Stimme zitterte. »Ich kann sie nicht voneinander trennen, um ihn zu binden.«
Okay. Scheiße.
Caleb stand einfach da und empfing den Schlag. Fand sich damit ab, dass es wahr war, was sie sagte. Er spürte, wie Tan in ihm arbeitete, seine Sehnen entlangraste, an seinem Willen nagte, Feuerbahnen legte, die so klebrig wie Spinnenfäden und so stark wie Stahlkabel waren.
Maggies Blick suchte den seinen. Angst stand in ihren Augen. »In unserem Volk gibt es Zauberkundige. Wächter. Wir könnten einen kommen lassen, damit er dir hilft.«
Obwohl Caleb schwankte, ignorierte er das Brennen in seinem Blut. Sein Gehirn fühlte sich dick wie Baumwolle an. Der Dämon tobte kichernd
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