Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
Vom Netzwerk:
Handy auf.
    »Was tust du da?«, fragte Maggie.
    »Ich rufe Donna Tomah an – unsere Inselärztin. Du brauchst jemanden, der sich diese Beule an deinem Kopf ansieht.«
    Und dich auf eine Vergewaltigung hin untersucht,
ergänzte er in Gedanken. Eine unheimliche Wut regte sich in seinen Eingeweiden.
    Sie legte ihre Hand an den Kopf und sah auf ihre Finger, als hätte sie noch nie zuvor Blut gesehen. Ihre Augen waren dunkel und trüb.
    Caleb biss die Zähne zusammen. Wenn er herausgefunden hatte, was passiert war, wenn er den Bastard gefunden hatte, der ihr das angetan hatte, dann würde er ihn eigenhändig ins Feuer zurückwerfen.
     
    Ihr Fell war weg.
    Gestohlen.
    Verbrannt.
    Zerstört.
    Angst wallte zäh und kalt in ihr auf und senkte sich bleischwer auf ihre Brust. Margred zwang sich zu atmen. Sie hatte überlebt, ermahnte sie sich selbst. Es hätte noch schlimmer kommen können.
    Sie starrte auf ihre blutverschmierten Finger. Wie hätte es noch schlimmer kommen können? Ja, sie war am Leben, aber ohne ihr Fell würde sie niemals wieder in die See zurückkehren können, niemals wieder nach Sanctuary. Fern der Inselmagie würde sie altern. Sie würde eine Reihe von Menschenjahren leben und dann sterben, um niemals wiedergeboren zu werden.
    Die Angst wurde übermächtig, lähmte Margred. Sie versuchte, sie niederzuringen, doch da hätte sie gleich das Meer mit bloßen Händen zurückhalten können.
    »Ein endloses Dasein hat seine eigene … Last«,
hatte sie zu Dylan gesagt, nur Stunden zuvor. Aber jetzt … Jetzt …
    Sie schloss die Augen vor Entsetzen und Verzweiflung. Sie war solch eine Närrin.
    Caleb klappte den Apparat in seiner Hand zu. Sie öffnete die Augen und sah, dass er sie beobachtete, grässliches Mitgefühl im Blick.
    Ihre Wirbelsäule streckte sich reflexartig.
    »Donna erwartet dich in der Klinik«, erklärte er. »Ich sorge dafür, dass Ted Sherman dich fährt. Er ist von der freiwilligen Feuerwehr.«
    Von der Feuerwehr, dachte sie benommen. Nun, das ergab wenigstens einen Sinn. Sie hatte einen Luftzug von etwas – einem
Dämon
 – gespürt, bevor sie bewusstlos geschlagen worden war. Sie hatte nicht gedacht, dass Menschen über das Wissen verfügten, die Feuerwehr gegen einen Feuerdämon einzusetzen, aber …
    Und dann drang der Rest dessen, was er gemeint hatte, in ihr betäubtes Bewusstsein.
    »Nein«, sagte sie. »Ich kann nicht vom Strand weg.«
    »Warum nicht?«
    Sie öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Sie hatte keinen Grund zu bleiben. Hier gab es nichts, was ihr hätte helfen können. Kein Seehundfell. Kein Entkommen. Keine Hoffnung. Diese Erkenntnis traf sie bis ins Mark, trostlos wie die Morgendämmerung über dem Watt. Das Klagen eines Heulers wollte aus ihrer Kehle aufsteigen.
    Der Mensch wandte keinen Blick von ihr. Sein Mund war freundlich, seine Augen wirkten klug. »Ich komme nach«, sagte er. »Sobald ich den Tatort gesichert habe.«
    Er ließ sie allein?
    Er ließ sie allein.
    Margred erschauerte vor Verlustangst und Empörung. Alles, was sie kannte, entglitt ihr. Sie fühlte, wie sie sich auflöste, wie sie wie Wasser durch ihre eigenen Finger rann. Sie hatte nicht vor, den einzigen Menschen, den sie kannte, fortzulassen.
    Caleb mochte ein Mensch sein, aber er war ihr wenigstens vertraut.
    »Ich werde nicht gehen. Nicht ohne dich.«
    »Gibt es jemanden, den ich anrufen kann?« Seine Stimme war tief und sehr freundlich. »Der bei dir bleibt?«
    »Nein.«
    »Eine Freundin? Oder vielleicht einen Angehörigen?«
    Margred erinnerte sich kaum noch an das Gesicht ihrer Mutter, die vor Jahrhunderten dem Meereskönig unter die Wellen gefolgt war. Sie kannte das Los ihres Vaters nicht. Sie hatte keinen Gefährten, kein Kind. Sie jagte, schlief und lebte allein.
    Sie schüttelte den Kopf, wobei sie zusammenzuckte.
    Eine Falte erschien zwischen Calebs Augenbrauen. »Niemanden?«
    Ihre Hände ballten sich unter den langen Manschetten seiner Jacke zu Fäusten. Ihr gefiel sein Mitleid nicht. Sie war eine Selkie, eine aus der Ersten Schöpfung, ein Kind der See.
    Oder zumindest war sie es gewesen.
    Im Meer, in ihrem eigenen Lebensraum, hatten ihr ihre fehlenden Bindungen nie Sorgen gemacht. Aber in der Menschenwelt waren vielleicht alle aneinander gebunden.
    Er durfte nicht den Verdacht schöpfen, dass sie nicht aus seiner Welt stammte.
    Sie tat so, als schwankte sie, und sorgte dafür, dass die Jacke sich über ihren nackten Brüsten öffnete. Es war gar nicht so

Weitere Kostenlose Bücher