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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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ich seufzte erleichtert und aß einen Löffel Müsli. Gleich darauf tauchte sie wieder auf und hatte eine weitere Strähne um den Frisierstab gewickelt.
    Ich schnaufte genervt. »Sag mal, Mom, wie lang ist das Kabel eigentlich? Ich dachte, die Küche sei ein sicherer Ort, um in Ruhe zu frühstücken.«
    »Ich hab’s im Flur eingesteckt. Von da aus reicht es gerade bis zur Küche und ins Bad, wenn ich hin und her gehe.«
    »Wie schön für dich.«
    »Also wart ihr mit den Fahrrädern unterwegs«, bohrte sie weiter. »Nur in der Stadt? Oder auch draußen auf den Waldwegen?«
    »Genau«, bestätigte ich. »Wir waren draußen bei Formans Haus.«
    Sie schnitt eine Grimasse, riss die Augen weit auf, zog die Augenbrauen zusammen, die Nasenflügel bebten. Das war ihr schockiertes Gesicht mit einer Prise Verwirrung darin. »Ehrlich?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich. »Aber wenn du so ein Gesicht machst, könnte ich fast auf eine interessante Unterhaltung hoffen.«
    »John …«
    »Na, dann eben nicht – hätte aber was draus werden können.«
    »Ihr wart also am See.« Mom zeigte sich an diesem Morgen ungewohnt beharrlich. »Das Wetter ist wirklich ideal, um ans Wasser zu fahren. Wart ihr auch schwimmen?«
    »Ja, nackt baden.«
    »Könntest du bitte mal ein paar ganz einfache Fragen beantworten, ohne dich so anzustellen?« Sie verschwand wieder um die Ecke. Ich freute mich auf eine kleine Verschnaufpause, doch sie sprach immer weiter. »Vielleicht überrascht es dich, aber es gibt Kinder und sogar Jugendliche wie dich, die offen und ehrlich mit ihren Müttern reden!«, rief sie aus dem Bad herüber.
    »Ich kann kaum glauben, dass es noch andere Jugendliche gibt, die so sind wie ich.« Das Müsli war aufgegessen, ich stand auf. »Das fände ich auch ziemlich erschreckend.«
    Wieder spähte sie um die Ecke, nachdem sie den Frisierstab abermals umgesteckt hatte. Ihre Miene wirkte überhaupt nicht mehr amüsiert. »Tut mir leid, ich wollte kein unangenehmes Thema anschneiden.«
    Ich ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer. »Endlich sind wir mal einer Meinung. Dann hören wir lieber sofort zu reden auf.« Ich schaltete den Fernseher ein. Den größten Teil der Frühnachrichten bekäme ich sicher noch mit.
    »Nun hab dich nicht so, John! Ich wollte doch nur wissen, wie dein Date verlaufen ist. Ich möchte so gern an deinem Leben teilhaben.« Ohne auf sie zu achten, schaltete ich die Kanäle durch. »Das Kabel reicht auf dieser Seite sogar noch weiter als in der Küche«, sagte sie. »Wir können uns weiter unterhalten.«
    »Das können wir«, antwortete ich, »Aber wir können auch aufhören. Das nennt man Wahlfreiheit.«
    »Weißt du, ich fand es richtig gut, dass wir nicht mehr bei jeder Mahlzeit Nachrichten gesehen haben …« Unvermittelt hielt sie inne, weil ein Filmbericht ihre Aufmerksamkeit erregte. Auch ich starrte wie gebannt auf den Bildschirm. »Das ist das Rathaus.«
    »Ja.«
    Vor dem Rathaus von Clayton stand eine Reporterin und sprach aufgeregt, während hinter ihr mehrere Polizisten hin und her gingen, alle bewaffnet und offenbar in äußerster Anspannung. Unmittelbar vor der Treppe parkte ein Krankenwagen mit blinkenden Lichtern, ein Schwarm Sanitäter kümmerte sich um eine Person, die am Boden lag. Auch Ron stand in der Nähe. Anscheinend war jemand tot.
    »Dreh den Ton lauter!«, bat sie leise.
    »Sheriff Meier ist jetzt zu uns gekommen«, berichtete die Reporterin. Der Kameramann nahm den Zoom heraus und schwenkte ein wenig nach rechts, bis neben ihr der ernste Polizist ins Bild kam. »Sheriff Meier, was können Sie uns über den Angriff auf den Bürgermeister sagen?«
    Mom keuchte. »Der Bürgermeister …«
    »Anscheinend ist es gestern am späten Abend passiert«, erklärte der Sheriff. Er sah müde aus; wahrscheinlich war er schon seit Stunden auf den Beinen. »Der Bürgermeister und einer seiner Mitarbeiter hielten sich zu dieser Zeit allein im Gebäude auf. Beide wurden angegriffen. Der Mitarbeiter bekam einen Schlag auf den Kopf, blieb aber sonst unverletzt. Er ist bereits auf dem Weg ins Krankenhaus.«
    »Gewöhnlich greift der Handlanger seine Opfer zu Hause an«, erklärte die Reporterin. »Haben Sie eine Vermutung, warum er den Bürgermeister in seinem Büro überfallen hat?«
    Der Sheriff gab sich spröde und setzte die missmutige Miene auf, die er oft der Presse gegenüber zeigte. »Dieser Fall weist gewisse Ähnlichkeiten mit den Morden des Handlangers auf, doch wir müssen betonen, dass es

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