Wellsaga Band 1 (German Edition)
ihm niemand beibringen. Es schlummert bereits in ihm und muss nur geweckt werden.“
„ Du meinst Talente?“
„ Nicht nur. Man weiß auch vieles, worüber man sich nicht bewusst ist. Wenn man erstmal gelernt hat, in sich hineinzuhören und dem nachzugehen, was in einem ist, findet man viele Antworten und Lösungen zu Problemen, die vorher unlösbar schienen.“
„ So weit bin ich noch nicht. Wenn ich in mich hineinschaue, sehe ich größtenteils nur Chaos.“
„ Entschuldigen Sie, ist hier noch frei?“
Katja sah hinüber zur Abteiltür. Dort stand ein junger Mann.
„ Ja, klar“, antwortete Weiß Nicht.
Der junge Mann kam herein und setze sich neben Weiß Nicht.
Schade, dachte Katja. Sie hätte sich gern noch etwas ungestört unterhalten.
~ ~ ~
Der Express fuhr über das flache Land, hielt ein, zwei Mal pro Stunde an einem wichtigen Bahnhof, bis er pünktlich um 13.23 Uhr quietschend in Vorbergen zum Stehen kam.
Vorbergen hatte 320000 Einwohner und war die letzte große Stadt vor dem Wolfsgebirge. Hier traf futuristische Architektur auf historische Baukunst. Schon der preisgekrönte Bahnhof vermittelte den Eindruck, dass man an einem besonderen Ort angekommen war.
Auf dem mit grün-blauen Fahnen geschmückten Bahnsteig herrschte Gedränge, als Katja und Weiß Nicht den Zug verließen.
Katja las den weißen Aufdruck auf einer der kunstvoll gestalteten Fahnen und sagte zu Weiß Nicht: „Hier ist ein Musikfestival. Da wäre ich gern hingegangen.“
„ Vielleicht schaffen wir es auf dem Rückweg. Da steht, es geht noch bis Sonntag.“
„ Das wäre toll.“
Weiß Nicht schaute auf sein Handy. „Es ist jetzt kurz vor halb zwei, der Zug nach Ziferntal geht um fünf, wir können etwas in die Stadt gehen. Bist du hungrig?“
„ Ein wenig.“
„ Ich auch. Magst du Pizza?“
Katja bejahte, und so schlossen sie ihre Rucksäcke ein und machten sie sich auf die Suche nach einer Pizzeria.
~ ~ ~
Am Bahnhof von Vorbergen begann direkt die Fußgängerzone. Das Zentrum der Stadt war nahezu verkehrsfrei und glich mit seinen zahlreichen Bäumen und Blumensäulen neben den Geschäften und Restaurants einem Park. Es duftete nach blühender Natur und eleganten Parfüms. Katja und Weiß Nicht gingen in Richtung Funkturm, dem Wahrzeichen von Vorbergen, der filigran weit über die Häuser hinausragte.
Vor einem Restaurant, aus dem italienische Musik klang, blieben sie stehen.
„ Das hier sieht gut aus“, meinte Weiß Nicht.
Katja stimmte zu, und so setzten sie sich an einen der weiß gedeckten Tische, der unter einem dunkelgrünen Sonnenschirm vor dem Restaurant stand.
Ein Kellner kam zu ihnen und überreichte feierlich zwei Speisekarten mit Einbänden aus edlem anthrazitfarbenem Gewebe, die gut mit der Farbe der Sonnenschirme harmonierten, wie Katja fand. Einzig die goldenen Elefanten auf den Umschlägen passten nicht ganz zu einem italienischen Restaurant.
Weiß Nicht sah in die Speisekarte: „Ich hoffe, es gibt auch fleischlose Pizza.“
„ Bist du Vegetarier?“, fragte Katja.
„ Ich esse kein Fleisch“, antwortete Weiß Nicht.
„ Oh, warum nicht?“
„ Ich mag die Idee nicht, Tiere zu essen. Ich bin es auch nicht gewohnt. In Well gibt es keine Tierhaltung oder Jagd, daher gibt es auch kein Fleisch.“
„ Die Massentierhaltung finde ich auch sehr schlimm.“
„ Für Wellner ist die Freiheit sehr wichtig. Wir sperren weder Mensch noch Tier ein.“
„ Ihr sperrt keine Menschen ein? Was macht ihr denn dann mit Verbrechern?“
„ Es gibt sehr wenige Verbrechen. Falls jemand eine schlimme Tat begannen hat, wird er aus Well verbannt.“
„ Aber dich hat man nicht aus Well verbannt?“, fragte Katja vorsichtig.
„ Nein, ich habe Well freiwillig verlassen. Eigentlich wegen Nicole.“
„ Die Tochter von Herrn Martens?“
„ Genau.“
„ Ich dachte, ihr wart nur Freunde.“
„ Ja, das waren wir auch, aber ehrlich gesagt nur, weil sie es so wollte.“
„ Das tut mir leid.“
„ Ist schon okay.“
Weiß Nicht schaute wieder in die Speisekarte: „Ich nehme eine Pizza Funghi und ein Wasser.“
„ Klingt gut, nehme ich auch.“
Der Kellner sah, dass sie gewählt hatten, und kam an den Tisch.
Weiß Nicht bestellte.
„ Ist die Tomatensauce vegetarisch?“, fragte Katja.
„ Ganz ohne Fleisch ist nur die Pizza Margherita“, antwortete der Kellner.
„ Weiß Nicht, dann solltest du besser die nehmen.“
„ Oh, ich verstehe. Auf der Speisekarte steht gar nicht, dass in
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