Wellsaga Band 1 (German Edition)
stand er auf, ging zum Fenster und schaute hinab auf die noch kaum befahrene Straße. Dann nach oben. Der Himmel sah nach Regen aus, fand er.
Neben dem Fenster stand sein halb gepackter Rucksack, in dem sich fast alles befand, was er besaß. Der Rest seines Besitzes lag verstreut im Hotelzimmer.
Es war nicht viel, was er hatte, aber alles, was er brauchte: Das Dokument, das ihm unbegrenzten Aufenthalt in jedem Land gewährte, sein Handy, das Satelliten-Telefon, das er von Jakob Jansen bekommen hatte und mit dem Jakob Jansen von seinem Vater angerufen werden wollte, der Umschlag mit der Nachricht, den er dem Vater übergeben sollte, ein Haufen Klamotten, von denen er mal wieder welche aussortieren sollte, um mehr Platz im Rucksack zu haben, ein Paar leichte Ersatzschuhe, Wasch- und Rasierzeug, einen Beutel mit Kräutern und Ölen, seinen Talisman und eine Geldbörse mit etwas Bargeld und der Kreditkarte, die er von Herrn Martens bekommen hatte, wie viele Wellner, die im Geld-geregelten Ausland unterwegs waren.
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Nachdem Weiß Nicht zur Abreise bereit war, machte er sich durch den leichten Nieselregen auf den Weg zum Bahnhof, wofür er nur die Straße überqueren musste.
Weiß Nicht fand es nicht so wichtig, wo er übernachtete, und daher nahm er meistens das erstbeste Hotel, das er fand. Hierher war er mit dem Zug gekommen, also wohnte er eben gegenüber vom Bahnhof.
In der Jugendstil-Bahnhofshalle kaufte er sich eine Fahrkarte nach Ziferntal. Dann folgte er der Unterführung zum Bahnsteig 5.
Es war kurz nach halb neun, als er auf dem Bahnsteig eintraf. Weiß Nichts Blick wanderte von einer Seite zur anderen. Katja war noch nicht da, aber er war sich sicher, dass sie jeden Moment kommen würde.
Der Zug ging um 8.45 Uhr.
Um 8.42 Uhr war Katja immer noch nicht zu sehen. Weiß Nicht begann sich ungut zu fühlen. Er hatte plötzlich Zweifel, ob Katja wirklich mitfahren wollte.
Als zwei Minuten später der Zug in den Bahnhof einrollte und sie immer noch nicht gekommen war, hakte Weiß Nicht enttäuscht die Sache ab. Ihm war klar, dass sie nicht mehr kommen würde.
Und dann tauchte Katja plötzlich in Trekkingsachen, bepackt mit einem Rucksack aus der Unterführung auf und lief auf ihn zu. Offenbar gab er immer noch zu schnell die Hoffnung auf.
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„ Sorry, ich bin spät dran. Ich habe für uns noch etwas zu essen besorgt", sagte Katja leicht außer Atem.
„ Auf die Minute pünktlich, würde ich sagen", entgegnete Weiß Nicht sichtlich erleichtert.
Beide stiegen in den Express ein und suchten sich ein freies Abteil. Nachdem sie ihre Rucksäcke verstaut hatten, setzte sich Katja ans Fenster in Fahrtrichtung und Weiß Nicht nahm ihr gegenüber Platz. Unterdessen setzte sich der Zug langsam in Bewegung nach Vorbergen, der ersten Etappe ihrer Reise.
„ Puh, das war knapp. Beim Bäcker standen zu viele Leute an“, sagte Katja.
„ Ich dachte schon, du hast es dir anders überlegt.“
„ Warum sollte ich? Möchtest du eine Mohnschnecke?“
Weiß Nicht verzog das Gesicht: „Nein danke, ich esse keine Schnecken.“
Katja lachte.
„ Das sind keine richtigen Schnecken. Sekunde.“
Katja stand auf, holte aus ihrem Rucksack eine Papiertüte und setzte sich wieder.
„ Das sind Mohnschnecken. Sehr lecker. Das ist eine Art Kuchen. Probier mal“, lud sie ihn ein und hielt die Öffnung der Tüte in Weiß Nichts Richtung.
Weiß Nicht griff zu und biss zögerlich in die Mohnschnecke.
„ Und?“, fragte Katja.
„ Etwas zu süß, aber gut.“
Katja nahm die andere Mohnschnecke und warf die leere Tüte in den Abfallbehälter unter dem Fenster.
„ Ich habe als Kind immer Mohnschnecken gegessen. Auf dem Weg zum Bahnhof bin ich irgendwie drauf gekommen, dass ich mal wieder eine essen könnte.“
~ ~ ~
Der Zug überquerte eine lange Stahlbrücke und ließ die letzten Häuser der Stadt hinter sich.
„ Ich bin schon sehr lange nicht mehr Zug gefahren. Bernd hasst Zugfahren“, erzählte Katja.
„ Bernd?“, fragte Weiß Nicht.
„ Mein Freund. Exfreund“, korrigierte sie schnell.
„ Ihr habt euch getrennt?“
„ Ich habe ihn verlassen, das trifft es genauer.“
„ Sorry, ich wollte dich nicht ausfragen.“
„ Nein, schon gut, langsam kann ich darüber reden. Es ist jetzt schon ein paar Tage her, seit ich weggegangen bin.“
„ Dann war das wohl eine schwierige Entscheidung.“
„ An dem Tag als ich wegging, ist mir die Entscheidung leicht gefallen, aber in der ganzen Zeit davor
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