Wellsaga Band 1 (German Edition)
habe ich mit mir gerungen. Auf einmal war aber alles ganz einfach und klar. Ich wollte es nicht mehr, keine Sekunde länger. Ich habe dann meine Sachen gepackt und bin zum Flughafen gefahren. Von unserem Küchenfenster aus konnte ich in der Ferne immer die Flugzeuge in den Himmel verschwinden sehen. Ich habe mir ein paar Mal gesagt, irgendwann sitzt du da drin und dann ist Schluss. Am Montag war es dann so weit.“
„ Ich verstehe. Es hat halt alles seine Zeit.“
„ Ich glaube, wir hatten nie unsere Zeit. Wir sind sehr verschieden. Ich dachte immer, es wird irgendwann besser, aber das Gegenteil war der Fall. In letzter Zeit hat er mich gar nicht mehr beachtet und sich ganz hinter seiner Spielkonsole verschanzt. Wenn wir mal miteinander geredet haben, endete es meist im Streit.“
„ Warum hast du ihn ausgesucht, wenn ihr so verschieden wart?“
„ Ich hatte mich in ihn verliebt. Rein äußerlich hat er mir gefallen und ich kannte ihn anfangs noch nicht so gut. In der letzten Zeit habe ich mich aber auch selbst in eine ganz andere Richtung entwickelt. Ich fing an mich zu fragen, ob das wirklich schon alles ist. Es muss doch mehr geben. Bernd war mit allem zufrieden. Dass er so überhaupt nichts vom Leben wollte, machte mir klar, dass wir füreinander nicht gut sind.“
„ Ich glaube, ich weiß, was du meinst.“
„ Jedenfalls habe ich Montag den Flieger genommen. Bianka hatte mir mal gesagt, wenn irgendwas ist, kannst du immer bei mir unterkommen. Also bin ich zu ihr geflogen.“
„ Und wie geht es dir jetzt damit?“
„ Als das Flugzeug abzustürzen drohte, hatte ich auf einmal starke Zweifel, ob es richtig war wegzugehen. Jetzt weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Aber es ist schon so, wie Herr Martens sagte, die Reihenfolge muss auch stimmen. Ich hätte mich vorher vernünftig von Bernd verabschieden sollen. Nach all der Zeit heimlich zu gehen, war schlecht.“
„ Aber du kannst dich ja immer noch verabschieden.“
Die Tür des Zugabteils öffnete sich: „Ihre Fahrscheine bitte.“
~ ~ ~
Als der Zugbegleiter Weiß Nichts Fahrschein kontrollierte, fiel Katja wieder auf, wie präsent Weiß Nicht war. Er schien einer jener Menschen zu sein, die genau wissen, was sie taten und was sie wollten. Sie fühlte sich manchmal immer noch wie ein Blatt, das auf dem Wasser dahintrieb.
Als der Zugbegleiter Katjas Fahrschein kontrolliere, fiel Weiß Nicht auf, wie anmutig jede Bewegung von Katja war. Teilweise hatte sie auch etwas magisch Vertrautes, das er noch nicht beschreiben konnte.
„ Kann ich noch mal deinen Talisman sehen?“, fragte Katja, als der Zugbegleiter das Abteil wieder verlassen hatte.
„ Ja, klar.“
Weiß Nicht nahm seinen Talisman ab und gab ihn Katja, die ihren abnahm und ihn zusammen mit Weiß Nichts Talisman auf den Tisch zwischen ihnen legte.
„ Haben sie sich wieder verändert?“, fragte Weiß Nicht.
„ Das kann ich nicht genau sagen. Wenn, dann nicht so sehr wie letztes Mal.“
Katja nahm ihr Handy aus der Tasche und verglich die Talismane mit dem Foto, das sie im Park gemacht hatte.
„ Sie sehen noch genauso aus wie vorher. Wenn ich so darüber nachdenke, komme ich mir etwas lächerlich vor. Du denkst jetzt sicher, dass ich spinne, oder?“
„ Ich habe schon Ungewöhnlicheres gehört“, beruhigte Weiß Nicht.
„ Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass sie sich das eine Mal verändert haben. Vielleicht sollten wir später nochmal nachsehen.“
„ Wie gesagt, ich glaube dir das.“
„ Und ich glaube dir inzwischen das mit Well.“
„ Das kannst du auch. Was hat dich überzeugt?“
„ Nichts. Ich will es einfach glauben.“
„ Ich kann nicht immer jedem alles sagen, aber ich lüge nicht.“
„ Was machst du eigentlich beruflich?“
„ Ich interessiere mich für das Heilen von Menschen, aber ich bin noch nicht so gut darin.“
„ Dann bist du noch Student?“
„ So könnte man es nennen. Ich habe schon bei einem Arzt etwas gelernt. Schulen und Universitäten wie hier gibt es in Well nicht.“
„ Wo lernen dann die Kinder lesen und schreiben?“
„ Die Eltern bringen ihren Kindern das Grundlegende bei. Wenn man mehr über ein Thema wissen möchte, wendet man sich an jemanden, der es weiß, oder versucht selbst dahinterzukommen.“
„ Das hört sich alles sehr entspannt an. Auf den ganzen Stress in der Schule hätte ich auch gern verzichtet.“
„ Ich glaube, das, was einem Menschen wirklich wichtig ist für sein Leben, kann
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