Wellsaga Band 1 (German Edition)
Verspätung fuhren sie in den nächsten Bahnhof ein. Auf den grünen Schildern las Katja „Klein Wiesen“ und fragte sich, ob es auch „Groß Wiesen“ gab.
~ ~ ~
Kurz darauf ging die Fahrt schon weiter. Scheinbar wollte der Lokführer etwas Zeit gut machen.
Eine alte Frau ganz in Schwarz mit zwei großen Taschen kam durch den Gang auf Katja zu. Sie blieb stehen und fragte Katja, ob sie sich auf den Platz neben ihr setzen könnte.
„ Ja, natürlich“, antwortete Katja.
„ Kann ich Ihnen mit Ihren Taschen behilflich sein?“, fragte Weiß Nicht.
„ Das ist nett von Ihnen. Diese Tasche können Sie nach oben packen. Die andere behalte ich bei mir. Ich muss nicht weit fahren.“
Mit Schwung verfrachtete Weiß Nicht die große Tasche in die Gepäckablage und setzte sich neben Katja. Die alte Dame nahm gegenüber Platz und schob die andere Tasche neben sich an den Sitz.
„ Sie sind ein schönes Paar. Machen Sie Urlaub?“, erkundigte sich die Frau.
„ Nicht direkt. Wir möchten jemanden in Ziferntal besuchen“, gab Weiß Nicht Auskunft.
„ Die Gegend hier ist zum Urlaubmachen auch nicht so schön. Auf der anderen Seite der Berge wird mehr geboten. Als ich jung war, bin ich mit meinem Mann viel gewandert. Zu dieser Zeit war im Tal noch viel los.“
„ Das, was ich bisher gesehen habe, gefällt mir“, sagte Weiß Nicht.
„ Die Landschaft ist toll“, stimmte Katja zu.
„ Sie beide wollen also nach Ziferntal. Ich wohne in Wiegental. Das ist ein Ort davor.“
„ Dann kennen Sie vielleicht Herrn Jansen, er wohnt irgendwo in den Bergen in der Nähe von Ziferntal. Wir wollen ihn besuchen, wissen aber nicht genau, wo wir ihn finden.“
„ Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut. Der Holzberger wird ihn sicher kennen. Das ist der Wirt vom Adler in Ziferntal.“
„ Wie finden wir ihn?“, fragte Weiß Nicht.
„ Gehen Sie einfach die Straße vom Bahnhof immer weiter Richtung Dorfmitte. Der Adler ist nicht zu verfehlen.“
„ Vielen Dank, werden wir machen.“
„ Bestellen Sie doch dem Holzberger bitte einen schönen Gruß von der Hanna.“
„ Gern.“
Die alte Frau lächelte, und dann wurde ihr Gesicht ernst.
„ Wenn Sie in den Bergen unterwegs sind, müssen Sie vorsichtig sein. Seit einiger Zeit gibt es wieder Braunbären. Besonders wenn sie Junge haben, sollte man einen weiten Bogen um sie machen. In der Zeitung stand neulich, dass ein Hirte angegriffen wurde.“
Katja war überrascht: „Ich wusste gar nicht, dass hier Bären leben. Gibt es auch Wölfe?“
„ Von Wölfen habe ich lange nichts gehört. Als ich Kind war, sind noch richtige Rudel durch die Bergwälder gezogen.“
Der Zug wurde wieder langsamer.
„ Am nächsten Bahnhof muss ich aussteigen“, sagte die alte Dame.
„ Dann hole ich Ihnen schon mal die Tasche herunter“, sagte Weiß Nicht.
„ Danke sehr.“
„ Ich kann Ihnen das Gepäck auch bis nach draußen bringen“, bot er an.
„ Das ist lieb von Ihnen. Der Zug hält immer nur kurz. Wir sollten schon zur Tür gehen.“
Die alte Frau und erhob sich.
„ Auf Wiedersehen“, sagte Katja.
„ Haben Sie ein paar schöne Tage“, verabschiedete sich die alte Frau und ging mit Weiß Nicht zur Tür.
Beim nächsten Halt stiegen sie aus und Weiß Nicht stellte die Taschen auf den Bahnsteig.
„ Haben Sie vielen Dank“, sagte die Frau.
„ Gern geschehen“, entgegnete Weiß Nicht.
„ Sie kommen wohl von weit her?“
„ Ja, ich bin aus Well.“
„ Aus Well? Habe ich noch nie gehört. Sie haben da ein nettes Mädchen. Passen Sie gut auf sie auf.“
~ ~ ~
Der Zug setzte sich langsam wieder in Bewegung.
Weiß Nicht kam wieder zu seinen Platz: „Wir sind bald da. Ziferntal ist der nächste Halt.“
„ Sehr schön, das war eine lange Fahrt“, meinte Katja.
Allmählich näherten sich die ersten Häuser von Ziferntal. Da die Strecke den Ort nur am westlichen Zipfel berührte, sah man vom Zug aus nicht viel von Ziferntal, nur ein paar für die Gegend typische Fachwerkhäuser auf der einen und eine Apfelbaumwiese auf der anderen Seite.
Der Bahnhof, auf dem es nur einen Fahrkartenautomaten und ein Glaswartehäuschen gab, war menschenleer.
Katja und Weiß Nicht stiegen als einzige aus. Hinter ihnen schlossen sich die Türen, und der Zug setzte seine Fahrt in Richtung Meer fort.
Da sind wir also, dachte Katja und sah den roten Rücklichtern des letzten Wagens hinterher.
Ein Zimmer für zwei
Katja und Weiß Nicht verließen den Bahnsteig und folgten
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