WELTEN-NEBEL
Er hoffte, ihr eines Tages mehr geben zu können als seine Freundschaft. Der Gedanke ließ sein Herz schneller schlagen. Er wollte ihr in allen Bereichen ihres Lebens ein Partner sein, erhoffte sich für sie beide das, was seine Eltern hatten. Allerdings vermochte er nicht einzuschätzen, ob Ewen solche Hoffnungen ebenfalls hegte. Würde er damit umgehen können, wenn dem nicht so wäre? Könnte er ihr weiterhin ein guter Freund sein?
Ewen unterbrach seine Überlegungen mit der Bitte, den Küchenofen anzuheizen.
Es tat gut, hierher zurückzukehren. Fast ließ es sie vergessen, dass ihre Aufgabe noch nicht vollendet war. Aber würde sie das je sein? Schließlich ging es um mehr als die Stärkung der Nebelquellen. Zum einen war noch die Frage nach dem Bösen, das sie in der Quelle gespürt hatte, zum anderen oblag es ihr, die Bevölkerung Martuls auf die Zeit vorzubereiten, wenn der Nebel versiegte. Bis jetzt verfügte nur sie über das dafür nötige Wissen. Statt des Sammelns von Wissen würde sie ihr Leben der Verbreitung widmen, eine Aufgabe, die sie alleine nicht würde bewältigen können.
Aber sie war nicht allein, sie hatte Btol. Doch würde er bei ihr bleiben? Vielleicht hielt er seine Aufgabe mit der Stärkung der Quellen für abgeschlossen. Um ehrlich zu sein, sie wusste nicht, wie seine Pläne für die Zukunft aussahen. Der Gedanke, dass er sie verlassen könnte, löste ein Gefühl von Verlust in ihr aus, dessen Heftigkeit überraschend war. Sollte sie mit ihm über die Zukunft sprechen? Was, wenn er fortgehen wollte? Würde sie alleine die Kraft finden, ihrer Bestimmung zu folgen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden? Es wäre sicher schwer, schließlich war er ihr schon so oft Stütze und Halt gewesen. Er war ihr ein Freund, doch auch ein Teil ihrer selbst. Gerne hätte sie ihn gefragt, ob er ähnlich empfand. Doch warum sich das Herz unnötig beschweren? Noch hatten sie die letzte Quelle nicht gefunden, auch wenn Btol sich sicher war, dass sie ganz in der Nähe war. Schon morgen würden sie aufbrechen, schon morgen würde alles vorbei sein. Irgendetwas an diesem Gedanken behagte ihr ganz und gar nicht. 'Es ist unser letzter Abend', diesen Gedanken vermochte sie nicht abzuschütteln. Es wühlte sie auf. Unruhig lief sie auf und ab.
Die Höhle würde ihr Ruhe schenken. Sie ging, ohne Btol Bescheid zu geben. Die kurze Strecke rannte sie fast, hielt erst inne, als das sanfte Licht der Höhle sie umfing.
Plötzlich war sie verschwunden. Er konnte sich denken, wohin sie gegangen war. Er zögerte erst, folgte ihr dann aber doch.
Sie saß in der Mitte der Höhle, die Augen geschlossen. Hatte sie sein Kommen bemerkt? Er nahm ihr gegenüber Platz. Nun schaute sie ihn unverwandt an. Vielleicht war dies der richtige Ort, schließlich hatte es hier begonnen. Er griff nach ihren Händen und blickte in ihre blauen Augen. Dann aber fehlten ihm die Worte, wie sollte er seine Gefühle nur ausdrücken?
„ Ewen, bitte schau in meinen Geist.“
Ein kurzer Moment des Zögerns, dann spürte er ihre Präsenz in seinen Gedanken. Es war an der Zeit, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Es gab keine Zweifel mehr, er war selbst überrascht von der Stärke seiner Gefühle.
Er konnte Verwirrung in ihrem Gesicht lesen, dann Überraschung und schließlich lächelte sie. Auch sie schien ihrer Stimme zu misstrauen, denn die nächsten Worte hörte er nur in seinem Geist: 'Ich kann dir meine Gefühle nicht auf diese Weise zeigen und Worten fehlt es an Kraft. Verzeih meine Kühnheit.'
Noch bevor er fragen konnte, was sie damit meinte, spürte er ihre Lippen. Da war kein Zögern, keine Unsicherheit in ihrem Tun. Und er erwiderte den Kuss, schmeckte ihre Lippen, knabberte daran. Dann wurden sie von den Wellen der Leidenschaft davongetragen.
In dieser Nacht gab nur sie beide. Weder ihre Mission noch das Schicksal Martuls zählten. Sie waren zwei Menschen, die in Liebe zueinander entbrannt waren. Immer wieder liebten sie einander, bald zärtlich und spielerisch, bald leidenschaftlich und wild. Sie konnte nicht genug bekommen von seiner weichen Haut, seinen forschenden Händen, seinen Küssen, die jeden Zentimeter ihres Körpers zu bedecken suchten.
'Was immer auch geschieht, diese Nacht wird uns für immer bleiben', dachte sie, kurz bevor sie in Btols Armen einschlief.
Jahr 3638 Mond 3 Tag 23
Berg Gimji, Martul
Sie war ihm gefolgt, immer bergan, schweigend. Nach den Geschehnissen der vergangenen Nacht wären
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